Schwierige Themen kindgerecht verpackt – Autorin Paula Kuitunen im Interview

Paula Kuitunen und ihre Kindersachbücher

Eine Freundin, die beim deutschen Mabuse-Verlag arbeitet, fragte mich, ob wir auf FinnTouch mal über Paula Kuitunen berichten möchten. Die in Dresden lebende finnische Autorin schreibt Kindersachbücher, und zwar über Themen, die gar nicht so einfach zu behandeln sind, zum Beispiel Angststörungen oder Drogenprobleme. Zuerst dachten wir, dass das für FinnTouch vielleicht etwas zu schwere Kost sei. Dann haben wir uns aber bewusst dafür entschieden.

Paula Kuitunen: ”Wir wollen entstigmatisieren”

Wir wollen dazu beitragen, dass solche Themen mehr und mehr offen und ohne Scham diskutiert werden. Dass man als betroffene Person oder Familie nicht im Stillen Hilfe suchen muss, sondern offen darüber sprechen kann. Daher freuen wir uns, Dir Paula und ihre Bücher nun im FinnTouch Interview vorzustellen. Ein paar Finnland-„Geheimtipps“ hat die Autorin auch noch für Dich parat…

FinnTouch (Tanja): Paula, Du arbeitest als Autorin, Illustratorin, Beraterin und Dozentin der finnischen Sprache in Dresden. Aber eigentlich stammst Du aus Turku. Wie kam es, dass Dresden Deine neue Heimat wurde?

Paula Kuitunen: Eigentlich hatte ich nie vor, lange in Deutschland zu bleiben, sondern direkt nach dem Studium der Psychologie nach Hause zurückzukehren. So weit kam es leider nie. Mein damaliger (deutscher) Ehemann konnte wegen der Sprachbarriere nicht in Turku studieren und daher zogen wir in seine Heimat – eben erstmal nur um zu studieren. Auf diesem Weg bin ich nun immernoch… Aus der gemeinsamen Ehe damals entstanden zwei wundervolle Söhne, die uns beide – trotz der späteren Trennung – bei sich haben sollen. Weiterhin verstehen wir uns sehr gut für eine Trennungsfamilie. Meine Heimat vermisse ich jedoch sehr, die Ruhe und die Natur…naja. Später habe ich hier meinen jetzigen Ehemann Sören kennengelernt. Gemeinsam haben wir eine Tochter, Taika.

Paula Kuitunen und Mann Sören auf der Leipziger Buchmesse

Paula und ihr jetziger Mann Sören zu Gast auf der Leipziger Buchmesse 2019 (Foto: K. Arlt)

FinnTouch (Tanja): Diese Zerrissenheit kann ich gut verstehen. Auch ich empfinde eine Sehnsucht nach Finnland, nach der besonderen Anziehung der Natur und Ruhe, die sie versprüht. Aber es ist so viel Wert, dass Eure Söhne Euch beide haben, und dass Ihr Euch so gut versteht. Du beschäftigst Dich mit schweren Themen wie Angststörungen und Depressionen. Wie kamst Du dazu?

”Mir wurde eine Angststörung und Depression diagnostiziert”

Paula Kuitunen: Während des Studiums wurde mir selbst eine Angststörung und rezidivierende (Anm.: wiederkehrende) Depression diagnostiziert. Also beschäftigte ich mich mehr mit diesen Themen schon aus diesem Grund. Auch Sören (selbst Dr. Dipl.-Psych.) ist betroffen sowie einige unserer Familienmitglieder. Das ist daher unser “Fachgebiet”, in vielerlei Hinsicht.

FinnTouch (Tanja): Und dadurch kamst Du auf die Idee, Dich auch für andere Menschen mit psychischen Problemen einzusetzen?

Paula Kuitunen: Genau. Die Universität hat damals meinen Antrag auf Nachteilsausgleich (Anm.: Prüfung schriftlich statt mündlich) trotz des ärztlichen Attestes abgelehnt. Mir drohte der Abbruch des kompletten Studiums, zwei mündliche Prüfungen entfernt vom Diplom. Erschüttert von diesem Umgang mit Menschen mit psychischen Störungen habe ich dann beschlossen, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen in der Hoffnung, dass anderen Menschen solche Erfahrungen und Schicksale erspart bleiben.

FinnTouch (Tanja): Falls Du uns etwas darüber erzählen magst: Weißt Du, was bei Dir diese Ängste und Depressionen ausgelöst hat?

Paula Kuitunen: Ich denke, es kamen einfach zu viele Veränderungen und Stress auf einmal: Abitur, Hochzeit, das Loslösen vom Elternhaus, Umzug in ein fremdes Land und eine fremde Umgebung, Herrichten der neuen Wohnung und Studienbeginn. All dies innerhalb eines halben Jahres. Hier in Dresden fühlte ich mich fremd und einsam. Der Druck im Studium belastete mich zudem sehr: Ich kannte keine mündlichen Prüfungen oder gar die Bedrohung, in Prüfungen jederzeit derart durchfallen zu können und ohne Abschluss dazustehen und das Fach nie wieder in dem Land studieren zu dürfen. Zum Vergleich: In Finnland darf man Prüfungen ja beliebig oft wiederholen, das System in meiner Heimat ist daher viel humaner.

Autorin Paula Kuitunen

Als Finnin musste sich Paula in Dresden erstmal zurechtfinden (Foto: Paula Kuitunen)

”Ich stand vor einer grossen Herausforderung und hatte kaum Unterstützung”

FinnTouch (Tanja): Das war wirklich ein riesen Berg an Veränderungen und Herausforderungen, vor dem Du standest. Und dann noch mit einer fremden Sprache…

Paula: Ja, wegen der Sprache stand ich natürlich auch schwächer da als Muttersprachler. Einige Professoren und Dozenten ließen mich das leider auch bewusst spüren… Damals hob die Angsterkrankung das erste Mal ihren Kopf. Ich nahm mir vor, das Studium erstmal auf Eis zu legen und später in Finnland zu Ende zu studieren. Dort, wo ich mich eben willkommen, zugehörig und daher auch stärker fühlte. So war der Plan.

An dieser Stelle entschieden wir uns bewusst für Familienzuwachs. Wenn die Kinder – zwei waren geplant – aus den Gröbsten raus wären, wäre mein damaliger Ehemann mit seinem Studium fertig, und wir könnten nach Finnland ziehen. Mit 22 Jahren war ich eine junge Mutter. Ich stand nun vor einer großen Herausforderung und hatte kaum Unterstützung. Keine Familie vor Ort. Und als wäre das nicht schon genug: Mein erstes Kind war ein Schreikind – sogar die Hebamme wunderte sich über die Intensität des Schreiens. Ich sehnte mich sehr nach Hause. Jeden Tag mehr.

”Mein Mann wollte doch nicht nach Finnland”

FinnTouch (Tanja): Als zweifache Mutter kann ich ahnen, was das bedeutet. Der Ausblick, zumindest wieder nach Finnland zurückzukehren, hat Dich sicher über Wasser gehalten.

Paula Kuitunen: Ja. Unser zweiter Sohn wurde geboren. „Zum Glück kein Schreikind diesmal“, dachte ich. Kurz darauf platzte dann mein großer Traum. Der Traum, der mir bis dahin täglich Kraft gegeben hatte: Mein Mann teilte mir mit, dass er nicht nach Finnland wollte. Es war mir alles zu viel. Ich begann eine Therapie und bekam Antidepressiva verschrieben.

Ich versuchte, mein Studium doch noch weiterzumachen und zu Ende zu bringen. Ich war jedoch sehr unglücklich, mut- und kraftlos. Ich schaffte es, meine sieben mündlichen Vordiplomprüfungen unter großen Beschwerden, heftigen Angstzuständen und immer wiederkehrenden depressiven Episoden über die Bühne zu bringen. Mit dem Durchschnitt von 2,2 war ich ganz zufrieden, die Umstände waren ja auch nicht gerade die Besten… Die Ehe scheiterte. Ich ließ mich scheiden und studierte notgedrungener Maßen weiter. Da ich mit dem Vater der Jungs gemeinsames Sorgerecht hatte, war ich nun „endgültig“ gefangen in Dresden. Und ja, bin es eigentlich immer noch.

”Die Uni liess mich fallen”

FinnTouch (Tanja): Der große Traum vom Leben in Finnland war für Dich vorerst geplatzt. Verständlich, dass Dir das seelisch alles andere als gut getan hat. Kamst Du denn zumindest an der Uni weiterhin zurecht?

Paula Kuitunen: Nein. Leider bekam ich seitens der TU Dresden zu keiner Zeit Unterstützung oder Verständnis für die Lage und Erkrankung. Sie ließ mich fallen, trotz meiner mehrfachen Bitten um Hilfe. Ich durfte lesen, dass meine Erkrankung “Teil meiner Persönlichkeit” sei und ich somit keinen Anspruch auf Hilfe in Form eines Nachteilsausgleichs hätte. Dies hätte ich jedoch dringend gebraucht, um meine letzten Diplomprüfungen ablegen zu können: eben schriftlich statt mündlich. Leider wissen viele nicht, dass auch Menschen mit psychischen Beeinträchtigung Recht auf Nachteilsausgleich haben, so wie Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen auch. Ich hätte durchaus meine Prüfungen schreiben dürfen, wenn mir zum Beispiel wegen einer Kehlkopf-OP die Stimme fehlen würde. Dies ist einfach nur lächerlich. Mein Fall ist keinesfalls ein Einzelfall in Deutschland. An diesem Missstand scheiterte also dann mein Studium, zwei mündliche Prüfungen entfernt vom Diplom. Mein einziger Abschluss ist nun nach wie vor das Abitur.

Kindersachbücher von Paula Kuitunen

Paula hat zwei Kindersachbücher über psychische Erkrankungen geschrieben

”Wir kämpfen für eine tolerantere Gesellschaft, Chancengleichheit, Inklusion & Akzeptanz”

FinnTouch (Tanja): Das ist wirklich kaum zu glauben. Gemeinsam mit Deinem jetzigen Mann Sören hast Du daraufhin die Initiative mindcolors ins Leben gerufen. Worum geht es Euch dabei?

Paula Kuitunen: Mit mindcolors setzen wir uns ein für eine Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, für eine tolerantere Gesellschaft, für Chancengleichheit, Inklusion und Akzeptanz der Betroffenen. Ich habe die Hoffnung, dass eines Tages auch wir – Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen – die für uns rechtlich und in der Theorie zustehenden Hilfen auch in der Praxis zugestanden bekommen und somit wahre Teilhabe ermöglicht wird.

FinnTouch (Tanja): Das ist wirklich unterstützenswert. Wie geht Ihr dabei vor?

Paula Kuitunen: Wir engagieren uns durch Öffentlichkeitsarbeit, Informationsvermittlung und diverse Projekte. Auch unsere Bücher sollen dazu beitragen, die Botschaft der Akzeptanz und Teilhabe weiterzutragen. Es geht dabei um die Inklusion von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in der Gesellschaft. Sehr wichtig ist uns dabei die Enttabuisierung von Problemen psychischer Art. Nach wie vor sind Betroffene verunsichert und trauen sich selten, darüber zu sprechen. Wenn ihnen die Angst genommen wird, ermöglichen wir ihnen leichter Zugang zu Hilfen.

Ein zweites Ziel ist die Durchsetzung der grundlegenden Menschenrechte für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Dafür bin ich ja schon mit meinem Fall vor Gericht gegangen. Leider habe ich den Prozess vor einigen Monaten nun endgültig verloren. Das ist wirklich eine herbe Enttäuschung, nach jahrelangem Kampf. Jedoch werden wir weiterhin aktiv bleiben, sodass die Lage sich irgendwann ändert. Mein Motto dazu: „If you tolerate this, then your children will be next“.

FinnTouch (Tanja): Wahre Worte. Das heißt, es gibt deutlichen Nachholbedarf auf Seiten der Politik und Gesellschaft…

Paula Kuitunen: Definitiv. Wir wollen, dass es in Zukunft möglich ist, mit psychischen Beeinträchtigungen zu lernen, zu studieren und zu arbeiten und als Betroffene an der Gesellschaft gleichberechtigt teilzuhaben. Die Gesellschaft sollte dabei die individuellen Stärken, Schwächen und Spielräume akzeptieren und sie mit einbeziehen.

”Bei ‚Mein Tabulu‘ habe ich meine eigene Angsterkrankung erarbeitet”

FinnTouch (Tanja): Inzwischen hast Du schon zwei Kindersachbücher geschrieben, nämlich “Mein Tabulu” und “Dani und die Dosenmonster”. Wie kam Dir die Idee, diese Themen auch für die Kleinsten anschaulich zu gestalten?

Paula Kuitunen: Bei “Mein Tabulu” habe ich meine eigene Angsterkrankung verarbeitet. Es ist auch eine Utopie darüber, wie ich es mir wünsche, dass mit Angsterkrankungen in der Gesellschaft umgegangen wird. Denn sie sind die häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern, werden aber nach wie vor gern verschwiegen. Das möchte ich ändern. Bei “Dani und die Dosenmonster” geht es um ein anderes verschwiegenes Thema: Alkoholabhängigkeit. Ich finde es wichtig, das System “Familie” da als eine leidende Einheit zu sehen. Bei Betroffenheit ist es nicht nur wichtig, den Abhängigen zu sehen, sondern auch darauf zu achten, welche Ressourcen die anderen Familienmitglieder haben, um in der schwierigen Lage auf die eigene psychische Gesundheit zu achten.

FinnTouch (Tanja): Welche Geschichte erzählt Mein Tabulu genau?

Paula: Das Buch handelt von Tabea. Sie ist sieben Jahre alt, als sie mit ihrer Familie in eine andere Stadt zieht. Am ersten Schultag soll sie sich der neuen Klasse vorstellen. Doch wie aus dem Nichts ist plötzlich Tabulu da. Es sitzt auf Tabeas Schulter, zwickt sie, piepst ihr ins Ohr und macht es ihr unmöglich, überhaupt ein Wort herauszubringen. Das nervige Wesen begleitet sie nun Tag und Nacht. Es wird immer größer und größer und lässt sich nicht ignorieren. Das Tabulu ist Tabeas Angst. Es verschwindet nicht, aber wird wieder kleiner, als das Mädchen lernt, mit ihm umzugehen.

Einblick in Paulas Bücher

In Paulas Büchern verstecken sich auch kleine finnische Details

”’Mein Tabulu‘ soll dabei helfen, mit Kindern über Angst und Angststörungen zu sprechen”

FinnTouch (Tanja): Und dann stellt sie fest, dass auch andere ihre Angst mit sich herumtragen…

Paula Kuitunen: Genau. Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Tabea ist nicht mehr allein mit ihrer Angst. “Mein Tabulu“ soll Eltern und ErzieherInnen dabei helfen, mit Kindern über Angst und Angststörungen zu sprechen. Im Anschluss an die Bildergeschichte gibt mein Mann Sören als Diplom-Psychologe noch fachliche Ratschläge.

FinnTouch (Tanja): Dann ergänzt Ihr Euch ja nicht nur privat sondern auch beruflich bestens…

Paula: Definitiv! Sören hat im Suchtbereich promoviert und erforscht die Hintergründe und Behandlungsmöglichkeiten von gesundheitsschädlichem Verhalten wie Alkohol- und Nikotinkonsum. Auch er kämpft seit seiner Jugend mit wiederkehrenden Depressionen.

Einblick in ein Buch von Autorin Paula Kuitunen

Links zu Hilfe rund um das Thema Ängste und Depressionen

”Dani schafft es nicht alleine, die Dosenmonster zu vertreiben”

FinnTouch (Tanja): Das ist für Euch sicherlich nicht immer einfach. Kam Dir daher die Idee für Dein zweites Kindersachbuch “Dani und die Dosenmonster”? Welche Geschichte erzählt es?

Paula Kuitunen: “Nicht immer einfach“ – das stimmt am Ende für alle Paare! Aber auch bei uns haben die Probleme weniger mit den Erkrankungen zu tun. Ich glaube tatsächlich, dass es von Vorteil ist, dass wir beide erkrankt sind und Psychologie studiert haben. Mehr Verständnis für psychische Besonderheiten kann man kaum in einer Familie haben!

FinnTouch (Tanja): Da hast Du tatsächlich Recht…

Paula Kuitunen: Und zum Buch: Als Danis Papa arbeitslos wird, ziehen kurz darauf komische Gestalten in die Wohnung ein. Erst ist nur eine da, aber bald sind sie überall: die Dosenmonster. Je mehr Papa trinkt, desto mehr fehlt ihm die Energie, sich um seinen Sohn zu kümmern. So sehr Dani sich auch bemüht – alleine schafft er es nicht, die Dosenmonster zu vertreiben. Zum Glück weiß Tante Julia, was zu tun ist. Für die Geschichte mit Dani spielen Sörens Erfahrungen als Angehöriger von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen eine bedeutsame Rolle. Auch hier ergänzen seine fachliche Ratschläge die Bildergeschichte.

Hilfreiche Links im Buch von Paula Kuitunen

Links zu Hilfe rund um das Thema Alkohol- und Drogensucht

”Ich stehe für Lesungen, Vorträge und Diskussionsrunden zur Verfügung”

FinnTouch (Tanja): Also ist das ein gutes Buch, um einen sanften Einstieg zu Gesprächen über dieses nicht einfache Thema zu schaffen. Ich bin wirklich beeindruckt, auf welch sanfte und gekonnte Art Du es schaffst, diese schweren Themen kindgerecht zu verpacken. Wie kann man denn mit Dir in Kontakt treten?

Paula Kuitunen: Oh danke, das ist lieb! Ich stehe gern für Lesungen, Vorträge und Diskussionsrunden zu Themen um Inklusion und Entstigmatisierung zur Verfügung. Kontaktieren kann man mich – und auch Sören – am besten per E-Mail: info@mindcolors.de. Ich freue mich über eine Kontaktaufnahme auch gern ohne „besonderen Grund“ – aber bitte duzen, wie es in Finnland auch üblich ist!

FinnTouch (Tanja): Stimmt, das allgegenwärtige “Du” liebe ich auch an Finnland. Es lässt die Menschen sich auf Augenhöhe begegnen und näher zusammenwachsen, wie ich finde. Liebe Paula, ich danke Dir sehr für Deine offenen Worte und Einblicke in Eure Arbeit und sende ganz herzliche Grüße nach Dresden, an Deine ganze Familie. Wachsen Eure Kinder eigentlich zweisprachig auf?

Paula Kuitunen: Mit meinem ersten Kind habe ich es tatsächlich geschafft, über ein Jahr lang ausschließlich Finnisch zu reden. Das wurde oft nicht gern gesehen. Wenn man als Ausländerin in Dresden lebt, sollte man definitiv ein dickeres Fell haben als ich… naja. Ich hielt es trotzdem durch, bis meine damalige Schwiegermutter mir Probleme gemacht hat und am Ende heulend in meiner Küche stand: „Das Kind wird nie deutsch lernen!“ Ich war zu dem Zeitpunkt leider so schwach in vielerlei Hinsicht, dass ich mich dem gebeugt habe und Finnisch „abgeebbt“ ist. Das ist die traurige Wahrheit, die mich immer verfolgen wird.

”Zweisprachigkeit sollte gefördert werden!”

FinnTouch (Tanja): Das tut mir sehr leid zu hören. Ich kann aber gut verstehen, dass Du unter all diesen Umständen nicht die Kraft gefunden hast, dagegen anzukämpfen.

Paula Kuitunen: Ich bedauere es sehr, da ich es nie wieder „zurückholen“ kann. Ich appelliere daher an alle, die die Möglichkeit haben, ihre Kinder zweisprachig zu erziehen: Bleibt stark, sucht euch Unterstützung! Es ist wirklich schade, diese Möglichkeit und Diversität der Zweisprachigkeit zu „verschenken“ – und für mich als Dozentin der finnischen Sprache zugegebenermaßen beschämend. Dieses Thema ist wirklich spannend. Mein zweiter Sohn kann am schlechtesten Finnisch, meine Tochter versteht es wiederum sehr gut, spricht aber nur in Finnland. Es würde sicherlich ein zweites Interview brauchen, um dieses Fass aufzumachen. Aber ein tolles Thema, auf jeden Fall!

FinnTouch (Tanja): Dieses Fass machen wir bei anderer Gelegenheit gerne gemeinsam auf! Und fahrt ihr dieses Jahr denn nach Finnland?

Paula Kuitunen: Ja, ich freue mich riesig! Wegen Corona hatte ich große Angst, dass es nichts wird. Meine Schwester heiratet am 1. August und ich bin überglücklich, dabei sein zu können.

Blick auf den Hafen von Turku vom Schiff aus

Direkt vor Paulas Heimatstadt Turku beginnt das Schärenmeer mit unzähligen Inseln

”Ich liebe Segeln, das ist Glück pur!”

FinnTouch (Tanja): Das klingt wunderbar. Habt eine tolle Reise zu Eurer Familie! Und zum Abschluss: Was ist Dein absoluter Geheimtipp? Was dürfen unsere Leser auf keinen Fall in Finnland verpassen?

Paula Kuitunen: Ich empfehle die Umgebung von Parikkala. Da verbrachte ich fast alle meine Ferien, wenn ich nicht gerade segeln war. Punkaharju und Savonlinna dürften Begriffe sein, die ein Finnlandliebhaber kennt. Das Schärengebiet bei Turku ist mein zweiter „Geheimtipp“, definitiv! Wie die Protagonistin Tabea in “Mein Tabulu“ liebe ich das Segeln, ich war das erste mal im Alter von drei Wochen dabei. Seitdem ist das für mich Glück pur, das merkt man wohl auch in meinem Buch. Auch einige andere „finnische Geheimnisse“ sind in dem Buch versteckt, wie mein Kindheits-Segelboot, die finnische Flagge und Mumin. Man kann Finnland aus einem Finnen eben nicht vertreiben!

FinnTouch (Tanja): Ja, über diese kleinen finnischen Hinweise in den Büchern habe ich mich tatsächlich gefreut. Bewahre Dir Dein finnisches Herz, Paula. Das darf und wird Dir keiner nehmen!

Mehr über Paula, Sören und ihr Projekt mindcolors erfährst Du auf der offiziellen Website. Wir bedanken uns beim Mabuse Verlag für die Zusendung der Rezensionsexemplare.

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