Wie Du vermutlich weißt, bin ich halber Finne und zweisprachig aufgewachsen. Darüber habe ich bereits zu Anfangszeiten dieses Blogs einen ausführlichen Artikel geschrieben. Ich spreche also beide Sprachen, fühle mich in beiden Kulturen wie zu Hause. Doch welches Land liegt mir nun eigentlich näher am Herzen – Finnland oder Deutschland? Ich begann, mich erneut intensiver mit dieser Frage auseinanderzusetzen, nachdem ich vom EM-Qualifikationsspiel in Helsinki zurückgekehrt war, nach welchem ich mit den Finnen den erstmaligen Einzug ins Teilnehmerfeld eines großen Fußballturniers gefeiert hatte. Ich wage einmal zu behaupten, dass meine Freude darüber mindestens ebenso groß war wie die vieler „100-Prozent-Finnen“.
Können zwei Heimatländer „gleichberechtigt“ sein?
Ich fühle mich Finnland gegenüber schon immer emotional sehr verbunden. Schon als kleiner Junge verfolgte ich den finnischen Fußball. Später schaltete ich bei der Formel 1 ein – aber nicht etwa, um Michael Schumacher zuzujubeln, sondern Mika Häkkinen. Kann der Sport ein Spiegelbild des großen Ganzen sein? Gibt es nur eine Möglichkeit: Finnland oder Deutschland? Oder gibt es vielleicht doch die Option, dass die beiden Heimatländer quasi gleichberechtigt sind?
Sportbegeisterung: Sicherlich ein Gradmesser
Ich erinnere mich noch daran, als Deutschland im Jahre 1990 die Fußball-Weltmeisterschaft gewann. Damals war ich gerade einmal acht Jahre alt. Aber ich werde es nie vergessen, wie Andreas Brehme den entscheidenden Elfmeter verwandelte und für Freudentaumel zwischen Flensburg und Freiburg sorgte. Seitdem habe ich mit den deutschen Fußballern mitgefiebert – bishin zur sensationellen WM 2014 mit dem 7:1 gegen Gastgeber Brasilien und dem anschließenden Titelgewinn gegen die Argentinier. Was haben wir gefeiert! Seitdem muss ich allerdings feststellen, dass meine Liebe zur DFB-Elf ein wenig abgekühlt ist. Dies mag jedoch verschiedene Ursachen haben…
Mit finnischem Sport kam ich ebenfalls schon im sehr jungen Alter in Berührung, als mich mein deutscher Vater zum Beispiel in unserem Sommerurlaub mit zu den Spielen der Mikkelin Palloilijat nahm. Seitdem verfolge ich auch die finnischen Ligen und habe immer wieder mitgelitten, wenn die Teams zum Beispiel im Europapokal regelmäßig früh ausschieden oder die finnische Nationalmannschaft einmal mehr eine Qualifikation in den Sand setzte. Ich hätte nicht geglaubt, dass der ewige Traum von einem großen Turnier eines Tages doch noch wahr werden und ich in diesem Moment sogar mit dabei im Stadion sein würde!
Seit dem allerersten WM-Triumph 1995 war ich auch bekennender Fan der finnischen Eishockey-Nationalmannschaft. Ich kaufte mir damals auf dem Marktplatz in Savonlinna ein Weltmeister-T-Shirt, das heute noch in meinem Schrank einen Ehrenplatz hat. Skispringen schaute ich viele Jahre hauptsächlich wegen Springern wie Janne Ahonen und Matti Hautamäki. Finnland oder Deutschland also? Auch wenn eine gewisse Suomi-Lastigkeit hier kaum zu verleugnen ist, es ist eine schwierige Frage. Am liebsten ist es mir immer noch, wenn die beiden Länder nicht direkt aufeinandertreffen. Denn ich möchte jedes Land für sich aus vollem Herzen anfeuern können.
Herzensorte: Gibt es hier wie dort
Wie Du bereits gemerkt hast, ist die Sportbegeisterung für mich immer schon ein wichtiges Thema gewesen. Doch es gibt natürlich auch noch andere Bereiche, die wir untersuchen sollten, um unserer Ursprungsfrage auf den Grund zu gehen. Wie sieht es zum Beispiel aus mit Herzensorten? Liegen diese bei mir eher in Finnland oder Deutschland?
Um ehrlich zu sein: Für mich persönlich wichtige oder auf welche Art auch immer bedeutsame Orte gibt es hier wie dort. Ob es nun das Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt als mein Lebensmittelpunkt und meine Homebase ist oder meine Geburtsstadt Berlin, in der ich über die Jahre immer wieder eine Menge erlebt habe – es gibt in Deutschland definitiv Orte, die mein Herz höher schlagen lassen. Und es ist wohl unbestritten, dass dieses Land gerade in puncto Vielseitigkeit ganz vorne mitspielt. Ich mag es, dass jede Stadt ihren ganz eigenen Charakter hat, ob nun das lebensfrohe Köln, das maritime Hamburg oder München mit seiner bayerischen Gemütlichkeit. Ob Küste, malerische und von Burgen umsäumte Flussläufe, Mittelgebirge oder Hochgebirge, Deutschland hat einiges zu bieten.
Aber auch Finnland, das ich im Rahmen unzähliger Reisen nahezu komplett bereist habe, lässt mich nicht mehr los. Helsinki – die grüne Hauptstadt am Meer begeistert mich ein ums andere Mal mit ihrem besonderem Flair und der für eine Stadt dieser Größenordnung wunderbaren Ruhe und Gelassenheit. Doch ich mag auch die kleineren Städte wie Mikkeli, Rovaniemi oder Savonlinna. Ein wichtiger Herzensort ist selbstverständlich auch Ylistaro, der Geburtsort meiner finnischen Mutter. Hier liegt ein Teil meiner eigenen Wurzeln. Und dann natürlich diese unfassbar wunderbare finnische Natur. Ich könnte mich jedes Mal aufs Neue in sie verlieben. Einen wirklich klaren Punktsieger gibt es in dieser Kategorie also nicht.
Sprache: Denke ich eigentlich finnisch oder deutsch?
Wenn es um das Thema Finnland oder Deutschland geht, kommt manchmal eine Frage auf, die ich sehr interessant finde: Denke ich eigentlich finnisch oder deutsch? Tatsächlich ist es so, dass meine Gedankenwelt sich komplett auf Deutsch abspielt. Das hat vermutlich damit zu tun, dass ich ja doch in Deutschland aufgewachsen bin und Deutsch die Sprache war, die ich unter dem Strich am meisten gehört habe von Kindesbeinen an.
Dennoch ist die finnische Sprache mir grundsätzlich mindestens ebenso vertraut. Mit meiner Mutter habe ich schon immer in dieser Sprache kommuniziert und sie fühlt sich daher wie ein Teil von mir selbst an. Ich mag den Klang des Finnischen und höre gerne zu, wenn sich andere in dieser Sprache unterhalten. Und selbstverständlich freue ich mich über jede Gelegenheit, wenn ich Finnisch sprechen kann. Unter dem Strich bin ich einfach wahnsinnig froh und dankbar, beide Sprachen als meine Muttersprache bezeichnen zu dürfen. Was für ein Reichtum das ist und welche Möglichkeiten sich dadurch eröffnen können, habe ich erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter so ganz richtig begriffen.
Finnland oder Deutschland: Was ist meine Identität?
Finnland oder Deutschland – welches Land liegt mir nun näher am Herzen? Ganz ehrlich: Ich kann Dir diese Frage nicht eindeutig beantworten. Und eigentlich will ich das auch gar nicht. Beide Länder sind ein Teil von mir und meiner Identität und ich fühle mich sowohl in Finnland als auch in Deutschland zu Hause. Vermutlich nerven mich in Deutschland mehr Dinge, aber das kann natürlich auch daran liegen, dass ich hier mit der alltäglichen Bürokratie und sonstigem Wahnsinn ganz einfach ständig konfrontiert werde.
Ich bin froh darüber, dass beide Länder ein sehr gutes Verhältnis zueinander haben und möchte gerne meinen bescheidenen Teil dazu beitragen, dass dies so bleibt und die gegenseitige Sympathie vielleicht sogar noch ein wenig weiter ausgebaut wird. Es macht mich glücklich, mit dieser Seite die deutsch-finnische Freundschaft zu fördern und Menschen zusammenzubringen. Denn wenn Menschen sich begegnen und eine gute Zeit miteinander haben, spielen Länder plötzlich gar keine so wichtige Rolle mehr.
Schlagen möglicherweise auch zwei Herzen in Deiner Brust? Vielleicht hast Du ja einen klaren Favoriten, wenn Du Dich für Finnland oder Deutschland entscheiden müsstest? Teile Deine Gedanken gerne mit mir über das Kommentarfeld weiter unten!
Ich kann das total verstehen! Ich bin zwar selbst „rein Deutsche“, aber allein schon durch die Zeit im Ausland fühle ich mich mit der „fremden Kultur“ nun doch so vertraut… 🙂
Hallo Jasmin,
vielen Dank für Deine Eindrücke! 🙂
LG,
René
Toller Blog und auch echt spannend, das mal von dir zu lesen, wie sich das so anfühlt. Da ich ja meinen Traum nun lebe, bin ich Sekt gespannt, ob ich meine Heimat früher oder später vermissen werde. Das klassische Heimweh hatte ich immer eher, wenn ich in Deutschland war und mich nach Finnland zurück sehnte :). Naja mal sehen. Auf jeden Fall fand ich es toll, auch mal deine Sichtweise kennenzulernen.
Hi Sabine,
vielen Dank! Bei Dir bin ich tatsächlich auch mal sehr gespannt, wie es sich entwickeln wird. Ich wünsche Dir nur das Beste! 🙂
LG,
René