Es war im Sommer 2001, ich war 15 und das erste Mal alleine in Finnland, und ich traf den Tervemann. Also eigentlich traf ich Kimmo Härmä, den Gesangslehrer von Jyrki69 und vielen anderen finnischen Frontmännern und -frauen. Aber er sagte beim Vorbeigehen nur “Terve”, und so bekam er von mir und meiner Freundin diesen Spitznamen verpasst. Wo ist er eigentlich vorbeigegangen, fragst Du Dich? An einem Zaun in Tampere. Aber wieso stand ich da?
Es begann im Backstagebereich der 69 Eyes
2001 hatte ich meine Liebe zu den 69 Eyes entdeckt und einen regelrechten Konzerte- und Festival-Marathon quer durch Deutschland und Finnland hingelegt. So verschlug es mich auch auf das Tammerfest in Tampere. Kimmo gehörte damals zur Crew. Er muss sich seinen Teil gedacht haben, als wir Teenies da standen und auf unsere “Stars” warteten. Aber irgendwie kamen wir ins Gespräch und haben über all die (mittlerweile 18!) Jahre Kontakt gehalten. Und so kam mir die Idee, ihn für FinnTouch zu interviewen. Denn Kimmo ist ein begnadeter Musiker! Es freut mich sehr, dass ich ihn kürzlich auf einen Drink in Helsinki getroffen habe. Lies, was er zu erzählen hatte…
FinnTouch: Es sieht so aus, als sei Musik deine erste große Liebe gewesen. Wie kam es dazu?
Kimmo Härmä: Ich ging damals auf eine Musikschule und war dort im Chor. Und als ich vierzehn war, spielte mir die Schwester eines Freundes etwas von Whitesnake vor, eins der alten Alben. Dann hat es mich gepackt und ich habe eine Band gegründet.
Dann habe ich mich in Helsinki verliebt!
FinnTouch: Ursprünglich kommst Du ja aus Lahti. Hat die Musik Dich nach Helsinki gebracht?
Kimmo Härmä: Ich habe später in Helsinki meinen Zivildienst geleistet, in der Sibelius Akademie. Zu dieser Zeit habe ich auch viel Musik gemacht. Und dann habe ich mich in Helsinki verliebt und mich beim Helsinki Pop & Jazz Conservatory beworben. Und sie haben mich genommen! So wurde ich professioneller Musiker.
Und eines Tages rief Jyrki an…
FinnTouch: Und wie kam es, dass ich Dich 2001 im Backstagebereich der 69 Eyes kennengelernt habe?
Kimmo Härmä: Am Helsinki Pop & Jazz Conservatory wurde ich auch zum Gesangslehrer ausgebildet. Und eines Tages rief Jyrki (Anm.: Sänger der 69 Eyes) an und fragte, ob ich ihm ein paar Gesangsstunden geben könnte. Hier ging es vor allem um Technik-Feinschliffe. So kam es, dass ich sie auch bei den Liveshows begleitet habe. Die Band fragte mich dann, ob ich Lust hätte, Backing Vocals für ihr Album “Paris Kills” einzusingen. Darauf folgten “Devils”, “Angels” und “Universal Monsters” und ich freue mich, dass sie mich für ihr neues Album “West End” auch wieder gefragt haben. Ich bin nun also zum fünften Mal auf ihrer Platte und es macht wirklich Spaß mit den Jungs!
FinnTouch: In Deutschland werden die Clubs aktuell leider kleiner, in denen die 69 Eyes auftreten. Es fühlt sich so an, als folgten nach meiner Generation weniger “Gothic kids”.
Kimmo Härmä: Ich habe das Gefühl, es geht für sie momentan aufwärts, gerade in den USA. Ich teile mir mit Bazie den Proberaum, so bin ich immer auf dem neuesten Stand. Er erzählte, dass sie dort auch weiter touren werden. Auf dem neuen Album wird es noch einige interessante Songs geben!
FinnTouch: Verrätst Du uns denn, mit wem Du noch gearbeitet hast?
Kimmo Härmä: Gerüchte bringen immer wieder Ville Laihiala von Sentenced oder Ville Valo ins Spiel, aber so war das nicht. Es gibt noch einige Namen, die ich aber nicht nennen möchte. Du kannst es vielleicht mit der Schweigepflicht von Ärzten vergleichen. Ich habe kein Problem damit, wenn jemand erzählt, dass ich sein Gesangslehrer war. Aber andersrum ist es vielleicht ein wenig heikel.
FinnTouch: Kein Problem, das kann ich verstehen! 2012 hast Du bei der ersten Staffel von “The Voice of Finland” mitgemacht. Wie war das für Dich?
The Voice of Finland war eine tolle Erfahrung
Kimmo Härmä: Ich war damals 40 und ein Freund fragte mich, ob das nichts für mich wäre, es sei anders als “Idols” und unerheblich, wie alt man sei etc. In den Niederlanden hatten damals die letzten zehn Teilnehmer einen Plattenvertrag bekommen. Also dachte ich, das wäre vielleicht eine Möglichkeit, noch erfolgreicher zu werden, auch finanziell. Denn ein Leben als Berufsmusiker kann auch hart sein.
FinnTouch: Ja, das kann ich mir gut vorstellen.
Kimmo Härmä: Es war die erste Staffel und niemand wusste genau, wie die Show werden würde. Aber natürlich war es eine tolle Erfahrung! Die beiden darauffolgenden Jahre habe ich einige größere Konzerte gegeben, aber viel mehr kam dann doch nicht dabei rum. Ich habe schon immer meine eigene Musik gemacht, und das passte irgendwann nicht mehr so gut mit den Vorstellungen der Plattenfirmen zusammen.
FinnTouch: Die haben sicher ganz besondere Vorstellungen, wie die Songs der Künstler klingen sollen.
Es gibt zwei Szenen: Pop und Heavy Metal
Kimmo Härmä: Ja, der Lebenszyklus in der finnischen Musikindustrie ist recht kurz. Am besten kommt finnischsprachige Musik an, von jungen Leuten in den 20ern. Und dann dauert es zwei Monate und Du brauchst den nächsten Song. Das ist nichts für mich. Es ist auch eine Generationensache, ich mag einfach eine andere Art von Musik. Es ist nicht der Fehler der jungen Künstler, die Leute mögen das, aber mir gefällt einfach andere Musik.
FinnTouch: Ist es – im Gegensatz zu Deutschland – hier immer noch so, dass Rock- und Metal-Songs in den Top 10-Charts sind?
Kimmo Härmä: Es gibt zwei Szenen in Finnland: diese junge, finnische Popszene und die Heavy Metal-Szene. Ende der 90er war es Rock, jetzt ist es purer Metal.
FinnTouch: Wikipedia sagt, Du bist auch Synchronsprecher für Animationsfilme und Cartoons. Stimmt das?
Kimmo Härmä: Ja, ich mache das seit rund zehn Jahren, unter anderem für Filme wie Transformers oder Ice Age 4. Und das macht wirklich Spaß! Für “Transformers” habe ich an einem Tag nur Geräusche aufgenommen, die jemand macht, wenn er etwas einstecken muss: “Ahh, uuk, huuh!” Das war sehr lustig!
FinnTouch: Das glaube ich Dir! Welche Musikprojekte stehen aktuell bei Dir an? Kommt etwas Neues von The Fogo Posto?
Es kommt bald ein drittes Fogo Posto Album
Kimmo Härmä: Lustig, dass Du fragst, denn wir haben seit 2012 gar nichts mehr gemacht. Und jetzt im Januar haben wir angefangen, an einem neuen The Fogo Posto Album zu arbeiten. Wir haben mittlerweile schon dreizehn Demosongs, das wird toll! Es werden verschiedene Geschichten, aber die Lyrics fehlen noch. Das Album wird allgemein etwas tanzbarer als seine beiden Vorgänger.
FinnTouch: Wow, ich bin schon gespannt darauf! Das erste Album “Sacrificio De La Primavera” (Anm.: Opfer des Frühlings) habt Ihr 2008 veröffentlicht. Du beschreibst es als “mystische Reise in ein vergangenes Land der Zigeuner und Zauberer”. Wie kamt Ihr darauf?
Kimmo Härmä: Es gab diesen Song namens “Devil’s daughter”. Seine Geschichte handelt von einem Zigeuner mit Frau und Tochter. Im benachbarten Dorf gab es einen Pfarrer, der auch an der Frau, Esmeralda, interessiert war. Doch sie wollte nichts von ihm wissen. Also erzählte der Pfarrer überall herum, dass der Mann der Teufel sein muss. Frau und Kind rannten davon, in den Wald, und tanzten ums Feuer. Die anderen Songs stricken diese Geschichte weiter.
FinnTouch: Und wie kam das Album an? Ich liebe es sehr!
Kimmo Härmä: Es war leider nicht wirklich massentauglich, da wir es in meinem Sommerhaus aufgenommen haben und daher die Sounds nicht professionell genug für die internationale Bühne waren.
FinnTouch: Schade. Es gibt sicher einige Leute in Deutschland, denen das gut gefallen würde! Das zweite Album aus dem Jahr 2011 habt Ihr “The Legend of Johnny Ghost” genannt. Worum geht es hier?
Kimmo Härmä: Es ist benannt nach dem Song “Johnny Ghost”. Johnny stürzt mit dem Auto die Klippen herunter und stirbt. So entstand seine Legende. Anders als auf unserem ersten Album gibt es hierzu aber keine zusammenhängende Geschichte. Jeder Song erzählt seine eigene.
Ich habe einen Eurovision Song Contest Song interpretiert
FinnTouch: Verstehe, das ist der Unterschied zwischen den beiden Alben. Welche anderen Projekte hast Du noch?
Kimmo Härmä: Zusammen mit dem Lumos Kvartetti aus Lahti habe ich den Song “Liehuva Liekinvarsi” (Anm.: Brennende Flamme) aufgenommen. Er stammt aus dem finnischen Vorentscheid des Eurovision Song Contests 1977. Ich hatte immer das Gefühl, dass all die bestehenden Versionen dem Text nicht gerecht werden. Daher habe ich meine eigene Version aufgenommen!
FinnTouch:Ein wirklich starker Song, der perfekt zu Deiner Stimme passt!
Kimmo Härmä: Danke! Und dann habe ich als Kimmo Härmä ja Valot Orkesteri noch eine Version des alten, traditionellen, finnischen Lieds “Jokainen Ihminen On Laulun Arvoinen” (Anm.: Jeder Mensch ist ein Lied wert) aufgenommen. Unter dem Namen HÄRMÄ trete ich auch als Duo auf. Du hast uns schon einmal hier im On The Rocks spielen sehen.
FinnTouch: Stimmt, das war ein toller Liveabend!
Wir haben unsere Band aus den 90ern wiederbelebt
Kimmo Härmä: Aber das Interessanteste momentan ist, dass ich meine Grunge Band aus den frühen 90ern aus Lahti wiederbelebt habe, sie heißt Laughing Sam’s Dolphin. Wir haben uns nach 20 Jahren wieder getroffen, ein paar Gigs gespielt und beschlossen, das Album aufzunehmen, das wir damals nicht fertiggestellt haben. Der neuste Song stammt aus dem Jahr 1994. Es fühlt sich wie “nach Hause kommen” an, es ist ein Zeitsprung in die 90er. Wir haben Drums, Bass und Gitarre schon eingespielt. Es fehlen nur noch der Gesang, Solos usw. Darauf freue ich mich wirklich!
FinnTouch: Das klingt ja wirklich nach einem tollen Projekt, ich bin auf das Album sehr gespannt! Gerade erinnere ich mich noch an Deine Band Ceessar aus den frühen 2000ern. Gibt es die auch noch?
Kimmo Härmä: Damals haben wir international kompatible, klassische Rockmusik eingespielt. Aber das war wohl auch die falsche Zeit. Ceessar liegt brach, bis wir es vielleicht wieder zum Leben erwecken, so wie Laughing Sam’s Dolphin jetzt!
Das Schönste an Finnland: mein Mökki und Käpylä
FinnTouch: Stimmt, wer weiß? Hast Du zum Schluss noch eine Empfehlung für uns: Was ist Deine Lieblingsgegend in Helsinki?
Kimmo Härmä: Ich wohne seit rund zehn Jahren in Käpylä. Es ist wirklich wunderschön dort, es gibt auch einige Bars.
FinnTouch: Und was ist Dein Lieblingsplatz in Finnland? Dein Mökki?
Kimmo Härmä: Ja, das ist wirklich der schönste Ort. Es liegt am Päijänne-See (Anm.: der längste See Finnlands, nördlich von Lahti), hat eine große Sauna mit Terrasse direkt davor. Dort bin ich am allerliebsten!
FinnTouch: Warst Du schonmal in Deutschland?
Kimmo Härmä: Ja, wir waren schon ein paarmal in Berlin, zuletzt vor zwei Jahren. Ich liebe diese Stadt! Sie ist toll, so vielseitig.
FinnTouch: Ich auch. Und Dir: Kiitos! Es hat mir wirklich Spaß gemacht.
Kimmo Härmä: Ja, mir auch! Bis bald!
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