Im Oktober 1918 wurde Friedrich Karl von Hessen zum König von Finnland gewählt. Die historischen Begebenheiten damals führten jedoch dazu, dass sich die geplante finnische Monarchie kurzfristig wieder zerschlug. Viele Jahre später feiern die Finnen dennoch einen Mann als König – und niemand würde es wagen, zu widersprechen. Die Rede ist natürlich nicht von einem offiziellen König in Amt und Würden, sondern vom Fußballkönig Jari Litmanen. In seiner Heimat wird der Ausnahmesportler von den meisten nur ehrfurchtsvoll „Kuningas“ genannt.
Finnlands Fussballlegende Jari Litmanen
Dafür gibt es viele gute Gründe. Denn niemand sonst hat den finnischen Fußball so geprägt wie Jari Litmanen. Kein anderer finnischer Fußballer ist im In- und Ausland so bekannt und begeisterte Millionen von Kindern und Jugendlichen für diese Sportart. Litmanen ist bis heute finnischer Rekordnationalspieler. In 137 Länderspielen erzielte er 32 Tore. Doch nicht nur in der Nationalmannschaft glänzte er, sondern auch auf Vereinsebene sorgte der am 20. Februar 1971 in Lahti geborene Jari Olavi Litmanen für Furore.
Warum gibt es in den Niederlanden so viele Jaris?
Im Alter von 16 Jahren debütierte Litmanen im Trikot seines Heimatclubs Lahden Reipas. Nach jeweils einer Saison beim Rekordmeister HJK Helsinki und dem damaligen Spitzenclub MyPa wechselte das junge Toptalent als finnischer Pokalsieger zu Ajax Amsterdam. Beim Traditionsverein aus der niederländischen Hauptstadt sollte Jari Litmanen zum Gesicht einer der erfolgreichsten Dekaden der Clubgeschichte werden. Mit dem Finnen im offensiven Mittelfeld wurde Ajax vier Mal Meister, drei Mal Pokalsieger und gewann außerdem die Champions League und den Weltpokal.
In 159 Spielen für Ajax erzielte „Litti“ herausragende 91 Tore. Kein Wunder, dass zahlreiche Fans ihren Nachwuchs auf den Namen Jari tauften. Ob Litmanen wohl bei der Namensgebung meines Sohnes auch irgendeine Rolle spielte? Ich kann mich jedenfalls noch gut daran erinnern, wie ich damals als kleiner Junge sogar extra nach Amsterdam schrieb – ohne sonst eine Verbindung zu dem Verein zu haben – und um ein Autogramm bat. Wie ein Schneekönig freute ich mich, als die Autogrammkarte tatsächlich eintraf. Sie bekam einen Ehrenplatz in meinem Kinderzimmer.
Über Barcelona und Liverpool nach Rostock
Begleitet von großer Euphorie verließ Jari Litmanen 1999 nach sieben erfolgreichen Jahren Ajax und wechselte zum legendären FC Barcelona. Zahlreiche Verletzungen sorgten jedoch dafür, dass er dort zu keinem Zeitpunkt sein ganzes Können zeigen konnte. Ähnlich ging es bei seiner nächsten Station, dem nicht minder glorreichen FC Liverpool, weiter. Dort hatte er zumindest das Vergnügen, Seite an Seite mit seinem Nationalmannschaftskollegen Sami Hyypiä ein paar Spiele zu bestreiten.
Von Liverpool ging es noch einmal zurück nach Amsterdam, doch auch hier warfen den finnischen Jahrhundertspieler immer wieder ärgerliche Verletzungen aus der Bahn. Die Lust am Fußball war trotzdem noch da und so startete Litmanen nach einer Saison in seiner Heimatstadt beim FC Lahti noch einmal international durch – oder versuchte es zumindest. 2005 war er im Trikot von Hansa Rostock zu bewundern, bestritt dort jedoch nur 13 Spiele und schoss ein Tor.
Karriereausklang in Finnland
Bei Malmö FF in Schweden und dem FC Fulham in England war Jari Litmanen leider ebenfalls mehr verletzt als fit. Der Kämpfer biss sich weiter durch und statt die Fußballschuhe nun endgültig an den Nagel zu hängen, spielte er noch einige Jahre in der finnischen Liga beim FC Lahti und HJK Helsinki, wo er mit seinem einzigartigen Spielverständnis durchaus noch zum Erfolg der Mannschaften beitrug. Mit 41 Jahren bestritt Litmanen, der lange Zeit seine Karriere nicht offiziell beendete, sein letztes Pflichtspiel im HJK-Trikot.
Der unerfüllte Traum der „goldenen Generation“
In der finnischen Fußballnationalmannschaft gibt es niemanden, der auch nur annähernd an Litmanens Zahlen herankommt. Er ist mit seinen 137 Spielen nicht nur Rekordnationalspieler, sondern mit 32 Toren auch erfolgreichster Torschütze der „Huuhkajat“. Jari Litmanen lief erstmals am 22. Oktober 1989 für Finnland auf beim 1:0-Sieg gegen Trinidad und Tobago. Zum letzten Mal spielte er am 17. November 2010 beim 8:0 gegen San Marino im weiß-blauen Trikot. Damit ist Jari Litmanen bis heute der erste und einzige Fußballer, der in vier aufeinander folgenden Jahrzehnten in der A-Nationalmannschaft seines Landes spielte.
Trotzdem blieb dem „König“ die Erfüllung seines ganz großen Traumes verwehrt: die Qualifikation mit Finnland für eine Welt- oder Europameisterschaft. Ein paar Mal war es nahe dran, etwa als die Finnen im letzten Spiel mit einem Sieg in Portugal weitergekommen wären. Sie verloren knapp und am Ende hieß es wieder einmal „wir waren nahe dran“. Gerade zur Hochzeit der sogenannten „goldenen Generation“ mit Spielern wie Litmanen, Hyypiä, Mikael Forssell, Joonas Kolkka oder Petri Pasanen, die auch in der deutschen Bundesliga in Erscheinung traten, waren die Erwartungen hoch wie nie. Der Traum von Generationen sollte letztendlich erst 2019 dank Trainer Markku Kanerva Wirklichkeit werden mit neuen Helden wie Lukas Hradecky und Teemu Pukki.
Litmanen bleibt für immer der König
Ungeachtet dieses kleinen Makels bleibt Jari Litmanen wohl für immer der unbestrittene König des finnischen Fußballs. Keiner sonst hat soviel zur steigenden Popularität von „jalkapallo“ in Finnland beigetragen. In seiner Heimatstadt Lahti wurde ihm bereits zu Lebzeiten ein Denkmal errichtet, zu dem Fußballfreunde aus nah und fern pilgern. Im Jahr 2012 erschien die Doku „Kuningas Litmanen“, in der sein Lebenswerk gewürdigt wird. Zu seinem 50. Geburtstag am 20. Februar 2021 waren die Social-Media-Kanäle voller Glückwünsche und Respektsbekundungen von Mitstreitern und Kollegen von überall her.
Es darf nur darüber spekuliert werden, ob das alles dem heute eher zurückgezogen in Tallinn lebenden Litmanen nicht sogar zuviel des Ruhmes ist. Er arbeitet mittlerweile als TV-Experte im finnischen Fernsehen, schnürt ab und an bei Charity-Turnieren noch immer die Fußballschuhe, lässt sich ansonsten aber kaum in der Öffentlichkeit blicken. Ein typisch finnischer Superheld eben: bodenständig und bescheiden. Bei solch einem König könnte man glatt zu einem Befürworter der Monarchie werden.
Welche Erinnerungen verbindest Du mit dem finnischen Fußballstar Jari Litmanen? Teile sie gerne mit mir über das Kommentarfeld weiter unten!