Es gibt ein Vorurteil, das werden die Finnen einfach nicht mehr los. Sie gelten allgemeinhin als die großen Schweiger Europas, als in sich gekehrte, bisweilen einsiedlerische Menschen, an die man nur schwer herankommt. Was aber ist an diesem Klischee eigentlich dran? Ist es wirklich so, dass die Finnen kaum einmal aus sich herauskommen? Oder ist das ganz einfach Quatsch und eine Verallgemeinerung, die dem Praxistest häufig nicht stand hält?
Klischees sind blöd – aber spannend
Zunächst einmal möchte ich eines klarstellen: Ich persönlich halte eigentlich äußerst wenig von Verallgemeinerungen, Klischees und Stereotypen jeglicher Art. Allzu oft liest man in irgendwelchen Veröffentlichungen, dass „die Deutschen“ so und so seien, „die Finnen“ hingegen so und nicht anders. Jeder, der über einen einigermaßen gesunden Menschenverstand verfügt, wird ganze Nationen nicht in einen Topf stecken. Erst recht nicht in der heutigen Zeit, wo sich diese immer heterogener präsentieren. Dennoch heißt es ja, ist an jedem noch so dämlichen Klischee oftmals doch ein kleines Fünkchen Wahrheit dran. Es ist auf jeden Fall eine spannende Sache, dem Ganzen auf den Grund zu gehen. Meine Ausführungen dazu sollen jedoch keine allgemeingültigen Weisheiten darstellen und sind teilweise auch mit einem Augenzwinkern zu sehen.
Finnische Männer vs. finnische Frauen
Meine persönlichen Beobachtungen decken sich mit dem, was man immer wieder hört. Die finnischen Frauen ticken in aller Regel ein wenig anders als die finnischen Männer. Während die Herren der Schöpfung tatsächlich häufig eher ruhige und in sich gekehrte Zeitgenossen sind – Ausnahmen bestätigen die Regel – sind die Damen eher wortgewandt, aufgeschlossen und mitunter sogar regelrecht verquasselt. Ob es daran liegt, dass deutlich mehr finnische Frauen den Mut haben, ins Ausland zu ziehen und etwas komplett Neues zu wagen? Zumindest sind sie auf jeden Fall überproportional kommunikativer. Wenn Du ein paar Tage durch Finnland reist, wirst Du diese These höchstwahrscheinlich recht schnell bestätigen können.
Der Alkohol als „Lockerungsmittel“
Dies gilt natürlich nicht für gewisse Sondersituationen. Wenn der finnische Mann am Wochenende feiern geht, lässt er sein eigentliches Ich nicht selten zu Hause. Es wird eifrig getrunken und dabei fallen dann auch die kommunikationstechnischen Hemmungen. Plötzlich wird aus dem schweigsamsten Zeitgenossen ein mitteilungsbedürftiger Kollege. Leider schießen einige dann doch ziemlich schnell über das Ziel hinaus und wirklich gepflegte Konversationen sind dann nicht mehr möglich. Grundsätzlich sind solche Phänomene zwar in jeder Gesellschaft zu beobachten, aber bei den Finnen sind die Kontraste schon noch einmal etwas krasser.
Wer einmal einen Finnen zum Freund hat…
Doch auch finnische Männer begeben sich selbstverständlich nicht nur ab einer gewissen Promillezahl auf das Terrain der verbalen Kommunikation. Meine Erfahrung zeigt, dass „der Finne“ grundsätzlich Fremden erst einmal zwar freundlich, aber auch ein wenig vorsichtig begegnet. Man möchte nicht gleich allzu viel über sich Preis geben, sondern erst einmal beobachten, mit wem man es da zu tun hat. Diese anfängliche Reserviertheit kann aber sehr schnell verfliegen, wenn der Finne sich dazu entschließt, mit Dir Freundschaft zu schließen. Und wiederum aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen: Wer einmal einen Finnen zum Freund hat, der behält diesen auch dauerhaft. Das finde ich extrem sympathisch und von daher würde ich diese Herangehensweise auch jederzeit der insbesondere in den USA verbreiteten, oberflächlichen „Small Talk“-Gesellschaft vorziehen.
Der Finne in mir
Ich kann es nicht leugnen, ein halber Finne steckt auch in mir selbst. Manchmal denke ich, es sind sogar mehr als 50 Prozent. Jedenfalls erkenne ich bei mir selber eben jene Verhaltensweise, die man auch den Finnen nachsagt. Auch ich schütte nicht gleich vor jedem Fremden mein Herz aus, aber wenn ich Freundschaft mit jemandem geschlossen habe, dann sind mir Werte wie Loyalität und gegenseitiges Vertrauen besonders wichtig. Vielleicht sollte ich manchmal auch schon etwas früher etwas mehr aus mir herausgehen, aber – nichts gegen ein gesundes Selbstbewusstsein – ich mag es ganz einfach nicht, wenn sich Menschen zu sehr in den Vordergrund stellen und denken, sie wären die Größten und Tollsten. Und genau das ist in Finnland auch nicht gerade gerne gesehen.
Fazit: Finnen sind meist schweigsam, aber…
Schlussendlich bleibt festzuhalten: Ja, es ist wohl ein Fünkchen Wahrheit dran an dem Klischee vom Schweigen im finnischen Walde. Der Finne ist eben auch Pragmatiker: Warum sollte er endlos lange Sätze von sich geben, wenn sich das Ganze auch mit wenigen Worten ausdrücken lässt? Sinnloses Gequatsche gehört einfach nicht zum finnischen Naturell und das finde ich offen gestanden wahnsinnig sympathisch. Dennoch bedeutet das nicht, dass selbst die schweigsamsten Finnen ein Herz aus Stein hätten. Genau das Gegenteil ist meist der Fall. Und natürlich kenne ich auch Finnen, mit denen ich problemlos die ganze Nacht durchquatschen kann. Weil Klischees eben doch immer wieder mal durch die Realität widerlegt werden.
Wie sind Deine bisherigen Erfahrungen bei Deinen Finnland-Aufenthalten? Hast Du die Finnen als eher schweigsam kennengelernt oder war doch eher das Gegenteil der Fall? Verrate es uns in den Kommentaren!
Das Finnen treue Freunde sind, kann ich nur bestätigen. Ich habe 1966 im internationalen Ferienlager auf dem Darß einen Finnen kennengelernt und aus Liebe zu ihm die finnische Sprache studiert. Leider lag ja damals die Mauer zwischen uns. Nach der Wende hat er mich unermüdlich gesucht und schließlich dank Facebook wiedergefunden. Seit zwei Jahren sind wir nun ein glückliches Paar.
Hallo liebe Waltraud,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Das ist ja eine unglaublich tolle Geschichte! Wäre eigentlich ein spannendes Thema für einen Blogbeitrag 😉 Jedenfalls wunderschön, dass ihr nach so vielen Jahren euch wieder gefunden habt und es dann auch alles (wieder) gepasst hat! Freuen uns mit für euch!
Ganz liebe Grüße,
Caro & René
Also ich bin jetzt seit 2 Monaten hier und ich kann eigentlich das geschrieben nur bestätigen. 😀
Die Frauen hier sind meistens Kommunikativer als die Männer, was aber auch nicht immer Stimmt. Ich kenne auch eine Familie, da redet der Mann mehr. 😀 Aber im großen und ganzen habe ich das anders erwartet – Klischees eben. 😀 Ich denke, wenn die Finnen merken das man sich für sie interessiert sind sie ganz anders drauf, nicht so ganz verschlossen.
Und sie sind alle total Gastfreundlich, wenn man irgendwie länger als 10 Minuten zu besuch ist gibt es gleich Kuchen und Kaffee und alles was man haben will. Ganz im Gegenteil zu Deutschland.
Also die Kommunikation hier ist eigentlich ziemlich gut. 🙂
Liebe Ann-Cathrin,
vielen Dank für Deine ausführlichen Eindrücke! Schön, dass Du Dich wohlfühlst in – ich bin ja eben beinahe fast vom Stuhl gefallen – Lapua. Direkt im Nachbarort Ylistaro (gehört ja heute zur Stadt Seinäjoki) ist meine Mutter geboren worden und aufgewachsen 🙂 Eine sehr interessante Website hast Du da aufgesetzt, da werden wir in Zukunft auf jeden Fall häufiger mal vorbeischauen! Eine tolle Zeit noch in Suomi und vielleicht magst Du ja später auch mal für uns ein bisschen was von Deinem Aufenthalt berichten 🙂
LG,
René
Hallo René & Co.! 🙂
Habe mir soeben deinen sehr lesenswerten Text über die „schweigsamen“ Finninen und Finnen gelesen und kann dem Geschriebenen nur zustimmen! Möchte aber noch ein paar Gedanken hinzufügen – wenn ich darf 🙂 – die mir bei meinen Finnland-Aufenthalten aufgefallen sind.
Finnland ist anders! 🙂 Und das is auch gut so! Die Mentalität, die finnische Sprache, die (-) Temperaturen, die schöne Natur sind schon mal das eine, was die Finnen von anderen Leuten/Ländern unterscheidet. Irgendwie hatte ich außerdem immer das Gefühl, dass auch die Zeit und das Leben im Allgemeinen in Finnland ganz anders funktionieren (als z.B. in meiner Heimat, Slowenien). Es stimmt, Alkohol lockert die Stimmung und da kommt so manch eine/r Finnin/Finne so richtig in Stimmung! 🙂 Doch nichts bringt die Finnen – meiner Erfahrung nach – so eng zusammen, wie eine gute Tasse „kahvia“ (Kaffee) und Pulla (Kuchen). Ob am Morgen, in der Mittagspause, am Nachmittag, am Abend (im Winter 6x am Tag?), ist eigentlich wurscht :). Der Finne weiß es eben das Leben zu genießen. Und was die Freundschaft mit einem Finnen/Finnin angeht, da kann ich Folgendes sagen: Die Freundschaft eines Finnen muss man sich erst einmal verdienen. Hat dich der Finne einmal „akzeptiert“, dann kannst du sichergehen, dass daraus eine langjährige und tiefe Freundschaft wird. Lädt er/sie dich noch in die Sauna ein, dann ist das Eis definitiv durchbrochen. 🙂
Ps. Super Seite/Blogbeitrag. Keep up the good work! 😉
LG, AndrejW
Lieber Andrej,
vielen Dank für Dein ausführliches Feedback und das Lob! Darüber freuen wir uns sehr 🙂 Und Du hast Recht, die Kraft des „kahvi“ ist auch auf keinen Fall zu unterschätzen! Sollten wir auch mal einen Beitrag zu machen. Das mit der Freundschaft hast Du absolut auf den Punkt gebracht. Freut mich zu hören, dass da einige meine Erfahrungen und Beobachtungen bestätigen können. Wäre ja mal spannend zu wissen, wie Du überhaupt auf/nach Finnland gekommen bist! In Slowenien waren wir vor ein paar Jahren mal – genauer gesagt haben wir auf der Durchreise kurz in Maribor Station gemacht. Hat uns sehr gut gefallen.
Viele liebe Grüße,
René
Lieber René,
vielen Dank für deine Antwort! 🙂 Genau, die Kraft des „kahvi“ sollte man nicht unterschätzen – ein Beitrag dazu wäre super! ;). Nach/auf Finnland gekommen bin ich in vor ca. 3 Jahren in Deutschland, wo ich an einem Sprachkurs für GermanistInnen teilnahm. Zufälligerweise lernte ich da auch eine söpö und ihana Finnin kennen, die mein Leben buchstäblich – im positiven Sinne – auf den Kopf gestellt hat. :). Freut mich, dass ihr schon in Slowenien wart :). Es gibt aber außer Maribor noch viell mehrrr zu sehen (z.B. Bled, Bohinj, Soča, die Hauptstadt Ljubljana, Städte am Meer wie Piran und Portorož sowie die Höhle(n) Postojnska und Škocijanska jama und nicht zu vergessen.. die wunderschönen Berge). Solltet ihr also künftig Pläne haben Slowenien zu besuchen, geb ich gerne „Insider Tipps“ :).
Liebe Grüße, AW
Hey,
na das nenne ich doch mal eine besondere Lovestory – congratulations! Wir erwägen eventuell mal eine Serie mit finnisch/deutschen Lovestorys zu machen, da wäre das ja vielleicht auch mal was. Slowenien müssen wir auf jeden Fall nochmal intensiver unter die Lupe nehmen und bezüglich der Tipps komme ich natürlich gerne auf Dich zurück 🙂
LG,
René
Moi Rene´,
als ebenfalls Halbfinne (der in Deutschland aufgewachsen ist und lebt), kann ich alles nur bestätigen was du geschrieben hast. Denn auch ich habe diese „finnische“ Verhaltensweise. In Finnland habe ich Freunde von Kind an und treffe sie einmal im Jahr. Sobald man sich sieht ist eine Vertrautheit da, als ob man sich erst gestern verabschiedet hat. Und nach einer Dose Lapin Kulta, Karhu oder Koff kommen die Gespräche in der Sauna richtig in Schwung.
Vielen Dank für deinen Bericht und liebe Grüße
Ari
Hallo Ari,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar und Einblick in Deine persönlichen Gefühlswelten 🙂 Schön zu hören, dass es anderen Halbfinnen ganz ähnlich geht. Vielleicht trifft man sich ja irgendwann auch mal auf ein Karhu, das ich aus dieser Auswahl bevorzugen würde 😉
LG,
René
Hallo René,
als ebenfalls „halber Finne“ (ich bin in Lohja aufgewachsen mit meinen Brüdern und finnischer Mutter) und dein Beitrag kann ich in sehr vielen Punkten Zusagen.
Meine Schulfreunde aus Finnland und aus meiner Kindheit sind genauso bestehen geblieben, obwohl ich bereits über 10 Jahren nicht mehr in Finnland wohne.
Ich selbst kann ebenfalls behaupten das Menschen welche ich als meine Freunde erkenne, Freunde bleiben, komme was wolle.
Ich glaube das Lied „olen suomalainen“ bezeichnet uns Finnen doch sehr gut 😀
Danke für den netten Beitrag, auch wenn dieser schon paar Jährchen auf sich hat.
Alles gute wünschend!
Hallo Annika,
vielen Dank für Deinen lieben Kommentar! Es freut mich natürlich umso mehr, wenn auch solche älteren Beiträge noch gefunden und gerne gelesen werden! 🙂 Das Lied „Olen suomalainen“ ist wirklich klasse, das mag ich auch sehr.
Viele Grüße,
René
Wir haben die Finnen als robuste, eher ruhige aber herzliche Menschen kennen gelernt in den letzen 4 Wochen und sind gespannt was in den nächsten ungefähr noch zwei Monaten auf uns zukommt. In der Sauna, sie quasseln finnisch, ich versteh nix. Ich immer fröhlich hello and by wenn ich komme und gehe. Am 3 Tag werde ich mit einem fröhlich klingendem „hoyahoya“ oder so ähnlich begrüsst. Nach der Sauna wird mir ein Schnaps angeboten.
Einen älteren Finnen den ich auf sein Wohnmobil anspreche will mir dies gleich zeigen, fragt dann mich nach meinem. Am nächsten Tag laden wir die Zwei zum Kaffe zu uns ein und nun haben wir eine Einladung zu Ihnen nach Hause wenn wir in der Gegend von Ihnen sind. Also kurz und gut, wir fühlen uns hier heimisch ohne viele Worte.
Lieber Jürg,
schön, dass Du auf meiner Seite gelandet bist und danke für Deine persönlichen Erfahrungsbericht. Es freut mich sehr, dass Du in Finnland so gut aufgenommen wurdest. Ich wünsche euch noch eine wunderbare Zeit und viele weitere positive Eindrücke!
LG,
René