Seit 2006 gibt es die Band Uusikuu, die sich seither auf dem internationalen Parkett einen Namen gemacht hat. Neben der finnischen Sängerin Laura Ryhänen gehören Norbert Bremes (Akkordeon), Mikko Kuisma (Geige), Christoph Neuhaus (Gitarre) sowie Sebastian Schuster (Kontrabass) zu dem Ensemble. Gemeinsam zeigen die Vollblutmusiker, wie vielfältig und frisch finnischer Tango klingen kann – immer mit einer gehörigen Portion Vintageflair dabei.
Von Tango bis Humppa und Walzer
Aber nicht nur der melancholische finnische Tango gehört zum Repertoire von Uusikuu. Neben den sehnsuchtsvollen und träumerischen Stücken gehören auch immer mal wieder schnelle Humppa-Nummern, gefühlvolle Walzer oder sogar jazziger Swing und Foxtrot zum Programm der Band. Ob in Finnland, Deutschland, der Schweiz oder Großbritannien, Uusikuu standen schon auf unzähligen Festival- und Konzertbühnen und wirkten an vielen spannenden Projekten mit. Zum zehnjährigen Bandjubiläum im Jahre 2016 haben wir mit Sängerin Laura über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Uusikuu gesprochen.
FinnTouch: Liebe Laura, Finnland und Tango, das passt für viele auf den ersten Blick so gar nicht zusammen. Kommt es heute noch oft vor, dass ihr ungläubige Blicke erntet, wenn ihr davon erzählt, was für Musik ihr macht?
Laura: Natürlich! Aber dann fragen wir nur: Seid ihr sicher, dass es die Argentinier waren, die den Tango nach Europa gebracht haben? Vielleicht waren es ja doch die finnischen Seemänner, die den Tangorhythmus nach Rio de la Plata mitgenommen haben auf ihren Reisen…
Den Tango im Blut
FinnTouch: Wie kamst Du persönlich zum Tango?
Laura: Der Tango war schon immer in meinem Blut, in meiner DNA. Ich denke, als Finnen haben wir alle diese Kultur in uns. Aber es dauert ein bisschen, bis man den Tango versteht, die Geschichten versteht, die großen Gefühle empfinden kann. Ich habe erst spät angefangen, selber Tango zu singen. Als Kind oder Teenager fand ich die Lieder sehr langweilig und eher bedrückend. Na ja, mir fehlte die Lebenserfahrung, ich musste ein paar Mal die unglückliche Liebe erlebt gehabt haben, bis es Klick machte.
FinnTouch: Was macht für euch den finnischen Tango so besonders?
Laura: Die wunderschönen Naturbilder. Regen als Tränen, Sonne als Glück, Wind als Veränderung, die Nacht beschützt vor den traurigen Geschichten, weil man im Schlaf alles vergessen und schön träumen kann. Und die Hoffnung als Hauptthema, auch wenn wir einen leeren, dunklen Weg vor uns haben. Es wird besser. Irgendwann. Man kann nicht das Glück genießen, wenn man nie unglücklich war.
FinnTouch: Da hast Du wohl Recht. Ihr habt es auch zum Ziel gesetzt, die guten alten Melodien und die Melancholie aus der goldenen Ära des finnischen Tangos in den 1930er bis 1960er Jahren in die heutige Zeit zu transferieren. Dennoch macht ihr nicht nur Tango. Wie würdest Du euren Sound in wenigen Worten beschreiben?
Laura: Vintage Tango, nordische Nostalgie. Oder wie ein amerikanischer Konzertbesucher mal sagte: The rollercoaster of life coated in vodka-infused cotton candy – also eine Achterbahn der Gefühle ummantelt von in Wodka eingegossener Zuckerwatte.
FinnTouch: Mit „Hotelli Untola“ (2008) und „Babylonia“ (2010) habt ihr zwei Alben veröffentlicht. Welches sind Deine persönlichen Lieblingstracks von diesen Longplayern?
Laura: Oh… das ist eine schwere Frage… ich denke, auf „Hotelli Untola“ ist es „Valoa Ikkunassa“, unser erstes Lied für den Eurovision Song Contest. Und auf „Babylonia“ muss es „Yön tummat siivet“ sein. Ein magisches Lied von dem tragischen Liedermacher Unto Mononen.
10 Jahre Uusikuu und neue CD
FinnTouch: Rechtzeitig zum zehnjährigen Bandjubiläum, das ihr 2016 feiert, gibt es eine nagelneue CD namens „Suomi-Neito“, die bei Nordic Notes erschienen ist. Was kannst Du uns darüber berichten und warum sollte diese Scheibe in keiner Sammlung finnischer Musik fehlen?
Laura: Mit dieser Platte ehren wir die finnischen Frauen. Als Musen, als Themen in den alten Liedern, als Liedermacher. Und wir ehren unsere eigenen Mütter und Omas, die uns immer unterstützt haben, Musik zu machen, Neues zu erleben, die weite Welt zu sehen und zu entdecken. Wir haben auch einen besonderen Gast dabei – ich singe ein Duett mit dem Tangokönig Amadeus Lundberg. Wir sind begeistert, dass er mit uns auf der CD sind! Drei neue Lieder sind auch dabei, alle von den Bandmitgliedern geschrieben, weil wir auch was Neues schaffen wollten, aber im Stile der alten Perlen.
FinnTouch: Zehn Jahre sind für eine Band schon eine bemerkenswerte Zeitspanne. Während dieser Zeit habt ihr sicherlich so einiges Lustiges, Kurioses und Unvergessliches erlebt. Vielleicht möchtest Du uns von dem schönsten und witzigsten Erlebnis in zehn Jahren Uusikuu erzählen?
Laura: Es sind sehr viele Sachen passiert, wenn man zusammen auf Reisen ist. Ich denke einer der unvergesslichsten Momente war, als wir vor einigen Jahren zu unserem damaligen Plattenlabel Humppa Records in Fürth unterwegs waren. Die Adresse war im Navi eingegeben und wir haben dem natürlich blind vertraut. Es war dunkel und wir sind angekommen. Dachten wir. Aber statt der Plattenfirma bei einer Holzscheune in the middle of nowhere, umgeben von weiten Feldern. Und drin in dieser riesengroßen Holzhütte: Eine sehr dubiose Rave-Party…Was dann passierte, bleibt unser Geheimnis…
FinnTouch: Wie ist eigentlich euer Bandname entstanden, gibt es dazu eine besondere Hintergrundgeschichte?
Laura: Es war ein heißer Tag im Juni 2006 während der Fussball-WM. Ich saß mit einigen von den Musikern bei mir im Wohnzimmer in Tübingen. Wir wollten eine neue Band gründen. Das Wichtigste: ein superguter Name. Leicht auszusprechen, gut auch visuell. Der Vollmond, Täysikuu, ist ein sehr berühmter Tango von Toivo Kärki. Wir wollten was neues zum Finntango beitragen. Also Uusikuu, der Neumond.
Nicht nur eine Hauptgeschäftsstelle…
FinnTouch: Ihr kommt aus Tampere, Tübingen und Oxford und seid damit gewissermaßen ein Musterbeispiel für einen gelebten europäischen Geist. Wie kamt ihr überhaupt zusammen?
Laura: Eigentlich sind wir heutzutage in Oxford, Tübingen und Stuttgart zu Hause. Ich war über zehn Jahre in Tübingen und kenne meinen Akkordeonisten Norbert schon seit 1999. Für uns war es immer klar, dass wir über die Grenzen gehen wollen, nicht nur musikalisch, aber auch geographisch. Es ist manchmal ein logistischer Albtraum, wenn wir Konzerte spielen, aber diese multikulturelle Band öffnet auch Türen in verschiedenen Ländern. Nicht nur eine “Hauptgeschäftstelle” zu haben ermöglicht es, viele neue interessante und unvergessliche Orte zu entdecken..
FinnTouch: Welche Musik hört ihr privat? Gibt es andere Künstler aus Finnland, die ihr besonders schätzt oder bewundert?
Laura: Uusikuu hört Musik von Metal bis hin zur Klassik, von Jazz bis hin zu Balkan Beats. Ich höre sehr viel Elektro, Drum ’n’ Bass und Weltmusik, insbesondere Folk aus Osteuropa und vom Balkan. Ich mag ältere finnische Sängerinnen wie Helena Siltala, Maynie Sirén und Anneli Sari oder die Gruppe Hortto Kaalo. Von den neueren Künstlern schätze ich unseren Freund Amadeus Lundberg sehr, aber auch Popsänger wie Chisu oder Teemu Brunila.
Ein Teil von 100 Jahren Finnland
FinnTouch: 2017 feiert Finnland 100 Jahre Unabhängigkeit und ihr seid im Rahmen der offiziellen Kampagne „Finland 100“ ein Teil davon. Was genau hat es damit eigentlich auf sich und wie stolz seid ihr, bei diesem großen Jubiläum dabei sein zu dürfen?
Laura: Ja, wir Finnen feiern 100 Jahre Unabhängigkeit. Das ist auch für uns Auslandsfinnen sehr wichtig und deshalb wollen wir natürlich unbedingt dabei sein. Am 15. Juni 2017 gibt es eine große Feier in Helsinki, ein Konzert für die auslandsfinnische Kultur. Wir sind da mit unserem neuen Projekt KAIHO – The State in Between. Das Projekt bringt Uusikuu zusammen mit dem englischen Tanztheater Justice in Motion. KAIHO – das finnische Wort für Sehnsucht und Nostalgie – erzählt Geschichten von 100 Jahren Migration durch die Augen der Frauen. Das Projekt feiert im Februar in London Premiere.
FinnTouch: Wo kann man euch in der nächsten Zeit im deutschsprachigen Raum live erleben?
Laura: Am letzten Novemberwochenende spielen wir in der Schweiz, in Bern und Winterthur. Dann sind einige von uns im Dezember unterwegs auf Events in England und Finnland, bevor wir alle eine kleine Weihnachtspause einlegen.
FinnTouch: Zu guter Letzt: Hast Du noch ein paar Finnland-Insidertipps parat für unsere Leser? Was sollten sie während dem nächsten Suomi-Aufenthalt unbedingt einmal machen, erleben, besuchen?
Laura: Aber klar! Weil wir große Vintage-Fans sind, sollte jeder diesen Flohmarkt in Kangasala besuchen. Und wir lieben die Seen und das Meer. Kustavi ist Balsam für die Seele. Tampere ist zur Zeit unsere finnische Heimatstadt. Das Spionagemuseum muss man dort besucht haben! Wie wäre es außerdem mit einem geheimnisvollen Abend in Helsinki?
FinnTouch: Vielen Dank für das spannende Interview und viel Erfolg weiterhin mit eurer Band und allen anderen Projekten!
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