„König Fußball“ ist weltweit die mit Abstand beliebteste Ballsportart. Insbesondere im Land des aktuellen Weltmeisters fiebern Millionen mit, wenn ihr Verein am Wochenende antritt. Doch wie ist das eigentlich mit dem Lieblingsclub, wenn man sich dazu entschließt, auszuwandern? Es gibt nicht wenige Deutsche, die auch im fernen Finnland ihrem Team weiter die Treue halten. Mit welchen Schwierigkeiten sind sie dabei konfrontiert?
Wie beurteilen sie den finnischen Fußball? Und wie kamen sie überhaupt dazu, ihre Zelte in der Bundesrepublik abzubrechen und ein neues Leben in Finnland zu beginnen? Das sind nur einige der spannende Fragen, denen wir an dieser Stelle nachgehen wollen – nicht nur für Fußballfans interessant. Wir haben uns dazu ausführlich unterhalten mit Jens Schäfer, der seit 2005 im südfinnischen Hanko lebt und den FSV Frankfurt im Herzen trägt.
Hallo Jens, Du bist Fan des FSV Frankfurt und wohnst in Finnland. Das ist vermutlich schon mal eine ziemlich einzigartige Kombination. Magst Du uns zunächst kurz erklären, wie Deine Liebe zu den Schwarz-Blauen entstanden ist, die in Frankfurt ja doch ziemlich im Schatten der Eintracht stehen? Bist Du im Stadtteil Bornheim aufgewachsen?
Tja, wie ist meine Liebe zum FSV entstanden? Ich bin weder in Frankfurt, noch speziell in Bornheim aufgewachsen. Auf den FSV bin ich Ende der 1980er Jahre durch einen Bericht in einer Lokalzeitung aufmerksam geworden. Und da ich mit der Eintracht noch nie was anfangen konnte, habe ich mich näher mit dem FSV beschäftigt und bin dann irgendwie hängengeblieben, weil mir der Verein sympathisch war.
Ende der 1990er jahre war ich auch öfters mal zu Heimspielen da, aber leider hat die Zeit nie so recht gereicht, um da auch weiter aktiv zu bleiben. Natürlich würde ich auch jetzt hin und wieder gerne zu Heimspielen kommen, aber da ich ja in Finnland lebe und eigentlich nur im Sommer oder an Weihnachten nach Deutschland komme, geht es entweder nicht, weil gerade Spielpause ist, oder der Besuch so vollgestopft ist mit Familie und Freunden.
Wie hat es Dich überhaupt nach Finnland verschlagen?
Da muss ich auch etwas ausführlicher werden. Ich habe etwa 1996 angefangen, in einer Diskothek zu arbeiten. Zuerst nur als DJ, dann kam irgendwann noch die Theke dazu und irgendwann bin ich dann Geschäftsführer geworden. Das hat bedeutet, dass ich prinzipiell nur nachts gearbeitet habe und das die ganze Woche lang. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem ich mir gesagt habe „das kann nicht alles gewesen sein!“.
Zu Finnland selbst hatte ich schon seit frühester Jugend eine besondere Beziehung, vor allem durch Bücher. Und 2005 habe ich mir dann gedacht, ich fahre einfach mal hin und schaue mir an, ob das alles so stimmt. Also habe ich drei Wochen (viel zu wenig eigentlich) keinen Urlaub gemacht, sondern mich umgesehen, immer mit dem Hintergedanken, ob es passen könnte.
Nach dem Urlaub gönnte ich mir nochmal ein paar Wochen Selbstreflexion und dann stand der Entschluss fest: das mache ich jetzt einfach. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass ich nach einem oder zwei Jahren wieder in Deutschland bin, aber um viele Erfahrungen reicher. Und dass es, trotz vieler Tiefschläge wie etwa zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit, eigentlich doch ganz prima gelaufen ist, sieht man daran, dass ich immer noch hier bin.
Du wohnst ganz im Südwesten im Städtchen Hanko. Wie lange schon und hast Du vorher auch schon woanders in Finnland gelebt?
Ich bin, was das angeht, wie ein Baum – der steht auch immer an der gleichen Stelle und ist glücklich damit. Das heißt, ich lebe seit 2005 in Hanko. Umgezogen bin ich drei Mal, allerdings immer nur innerhalb von Hanko.
Was sollten Hanko-Besucher sich unbedingt anschauen?
Das ist jetzt schwierig zu beantworten. Einfach mal die Seite https://tourism.hanko.fi/ anschauen und ein wenig stöbern. Die Seite gibt es auch auf englisch, einfach unter „kieli“ nachschauen. Ich persönlich schätze das herbstliche oder winterliche, ruhige Hanko. Aber auch „Sonnenanbeter“, die einen schönen Tag am Meer verbringen und trotzdem ihre Ruhe haben wollen, kommen hier auf ihre Kosten. Und besonders beeindruckend sind natürlich die tollen Villen am Appelgrenintie.
Wie klappt es bei Dir mit der finnischen Sprache, die ja doch nicht gerade zu den am leichtesten zu Erlernenden zählt?
Ich gebe zu, wer mit Fremdsprachen im Allgemeinen auf Kriegsfuss steht, der wird mit dem Finnischen so seine liebe Mühe und Not haben. Ich selbst habe mich vor meinem Auswandern im Selbststudium intensiv damit beschäftigt, aber stand dann wie der „Ochse vorm Berg“, als ich hier war. Theorie und Praxis klaffen dann doch sehr auseinander. Hier in Hanko ist man eventuell doch besser mit Schwedisch beraten.
Aber da ich nun mal in Finnland war, musste es Finnisch sein. Ich habe mir in den ersten acht Jahren alles selbst angeeignet und bin ganz gut damit gefahren. Nichtsdestotrotz war der Sprachkurs, den mir das hiesige Arbeitsamt mehr oder weniger aufgedrückt hat, im Nachhinein gesehen sehr erhellend. Als Fazit kann ich sagen, dass ich mich inzwischen bestens angepasst habe, was das Finnische angeht.
Verfolgst Du heute noch jedes FSV-Spiel? Wenn ja, auf welchem Weg?
Aufgrund der Entfernung bleibt mir leider nichts anderes übrig, als auf das Internet zurückzugreifen. Das heißt, ich schaue mir alle Pressekonferenzen auf YouTube an, alle Beiträge auf Facebook und natürlich auch gerne die Berichte bei Hessenschau.de. Obwohl ich zugeben muss, dass mir der hr zu sehr auf die Eintracht fokussiert ist…und auch wenn mich viele jetzt bestimmt köpfen werden: die Eintracht geht überhaupt nicht 😉 Sorry, aber ich konnte noch nie was mit dem Verein anfangen.
Wann warst Du zum letzten Mal am Bornheimer Hang? Wann können wir Dich dort wieder antreffen? Vermisst Du es, den FSV regelmäßig live im Stadion zu unterstützen?
Oh weh, das letzte Mal am Hang war ich, wenn ich mich recht erinnere, irgendwann 2002. Aber nagel mich nicht darauf fest. Danach hat mir einfach die Zeit gefehlt. So schnell wird man mich leider, leider nicht am Hang sehen können, weil ich nun mal nur in Deutschland bin, wenn eh gerade Pause ist bzw. Trainingslager. Natürlich vermisse ich das Flair des Stadions, aber man kann eben nicht alles haben. Und ich lebe den FSV vielleicht mehr als manch einer, der einmal alle zwei Wochen im Stadion ist, aber ansonsten keinen Gedanken dran verschwendet.
Verfolgst Du auch den finnischen Fußball? Wenn ja, hast Du dort ein Lieblingsteam? Wie würdest Du das Niveau der finnischen Veikkausliiga einschätzen im Vergleich zu den deutschen Ligen?
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mich finnischer Fußball sehr wenig interessiert, vor allem die Veikkausliiga. Demzufolge hab ich auch keinen Lieblingsverein.
Interessant war natürlich das Aufeinandertreffen von HJK Helsinki und Schalke 04. Das Hinspiel war eine echte Sternstunde des finnischen Vereinsfußballs auf europäischer Ebene. An dem Abend hat alles ausnahmsweise mal zusammengepasst. Und ich bin heute noch der Meinung, wenn Helsinki im Rückspiel nicht so beeindruckt gewesen wäre von der Arena auf Schalke, wäre da mehr möglich gewesen.
Was das Niveau angeht, das ist im unteren Drittel der dritten Liga anzusiedeln. Es gibt ja gelegentlich mal Live-Übertragungen von Ligaspielen im Fernsehen und das ist oft leider schon hart an der Grenze zur Folter für die Zuschauer. Aber wo außer in Finnland gibt es das schon, dass Ligaspiele wegen einem Moskitoschwarm abgebrochen werden müssen?
Wer ist für Dich Dein Lieblingsspieler aller Zeiten beim FSV, welches Dein aktueller Favorit?
Wenn es um den Lieblingsspieler aller Zeiten geht, steht für mich Horst Trimhold an erster Stelle. Knapp dahinter kommt Patric Klandt, der sich im Moment bestimmt immer noch in den Allerwertesten beisst, vom anerkannten Stammtorhüter zum Bankdrücker mutiert zu sein. Und vom aktuellen Kader auf alle Fälle Manuel Konrad.
Wer ist für Dich Dein Lieblingsspieler aller Zeiten in Finnland, welches Dein aktueller Favorit?
Da hast Du bestimmt gedacht, es kommt jetzt Jari Litmanen, oder? 😉 Nein, absoluter Lieblingsspieler aller Zeiten ist Pasi Rautiainen, der ja auch u.a. bei Werder Bremen oder Arminia Bielefeld gespielt hat. Und mein aktueller Favorit ist auf alle Fälle Lukas Hradecky. Er kann ja auch nix dafür, dass er bei der Eintracht spielt 😉
Glaubst Du, die finnische Fußballnationalmannschaft wird es jemals schaffen, bei einem großen Turnier mitzuspielen?
Zu wünschen wäre es ihnen ja, aber ob das nochmal was wird? Es lag meiner Meinung nach auch an den Trainern. Nichts gegen leute wie Hodgson, Baxter oder Mixu Paatelainen, aber die haben der finnischen Nationalmannschaft keinen Stempel aufdrücken können und nichts bewirkt. Gerade bei der letzten EM-Quali wäre es eine durchaus machbare Gruppe gewesen, aber da kam leider gar nichts… oder wenig. Ich bin gespannt, wie es in 2016 unter Hans Backe wird.
Vielen Dank für das offene und interessante Interview, Jens, und liebe Grüße nach Finnland! Wir möchten uns an dieser Stelle auch ganz herzlich bei Geschäftsführer Clemens Krüger vom FSV Frankfurt für die freundliche Unterstützung bei der Realisierung dieses Beitrages bedanken.