Schon vor ein paar Wochen hat Finnland eine Kampagne gestartet, mit der die Gleichstellung gefördert werden soll. Gleiche Chancen für alle, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und sozialem Background, das ist einer der Grundpfeiler der finnischen Gesellschaft und ohne Frage etwas, das auf dem ganzen Erdball erstrebenswert wäre. Leider sieht die Realität oftmals noch ganz anders aus. Dem wollen die Finnen nun also auf eine, wie ich finde, sehr charmante Art und Weise entgegenwirken. Denn in Finnland gibt es kein „er“ oder „sie“, sondern es heißt einfach nur hän. Und dieses inklusive Personalpronomen, das erstmals im Jahr 1543 in gedruckter Form in Erscheinung trat, ist denn auch der Aufhänger der groß angelegten Kampagne.
Einfach nur hän – einfach nur gut
Einfach nur hän also. Das möchte ich an dieser Stelle nochmal ein wenig genauer erläutern für alle, die im Deutschunterricht beim Thema Grammatik vielleicht nicht ganz so konzentriert aufgepasst haben. Ein einfaches Beispiel dazu: Während der Satz im Deutschen entweder „Er singt im Chor“ oder „Sie singt im Chor“ heißt, lautet es im Finnischen in beiden Fällen einfach nur „Hän laulaa kuorossa“. Ich finde das einfach nur gut und total praktisch – und das auch mal komplett losgelöst vom Gleichstellungsgedanken betrachtet.
Finnland schenkt der Welt ein Wort
Was in Finnland schon seit jeher wunderbar funktioniert, soll nun also auch anderen Ländern nähergebracht werden. Im Rahmen der hän-Kampagne ist das Personalpronomen mittlerweile auf diversen Plakaten zu finden, die unter anderem in der deutschen Hauptstadt Berlin hängen, aber auch in London und Brüssel. Die Kampagne wird in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Schwedisch gefahren.
Aufhänger sind jeweils sogenannte Lehnwörter, also Wörter, die irgendwann einmal aus anderen Sprachen ins Finnische übernommen wurden. Dafür bedanken sich die Finnen und revanchieren sich im gleichen Atemzug für dieses Präsent. So heißt es auf den deutschsprachigen Plakaten beispielsweise „Dankeschön, Deutsch! Du hast der finnischen Sprache viele Wörter geschenkt wie z.B. Kuningas (König), Meetvursti (Mettwurst), Flyygeli (Flügel). Hier ist ein finnisches Wort als Gegengeschenk: hän. Unser „sie“ und „er“ in einem Wort – das inklusive finnische Fürwort für Chancengleichheit“. Darunter kannst Du noch die Website des Projekts und die offiziellen Hashtags #hän und #thisisfinland entdecken.
Ehrung für Einzelpersonen und Gruppen
Natürlich wird es nicht das ernsthafte Ansinnen der Finnen sein, dass jetzt tatsächlich rund um die Welt das Wörtchen hän in die jeweiligen Landessprachen übernommen wird. So etwas kann durch „Aufstülpen“ kaum gelingen und wäre sicherlich auch nicht der richtige Weg. Aber ich finde es eine überaus clevere und sympathische Vorgehensweise, um zu Diskussionen über das Thema Gleichstellung und Chancengleichzeit anzuregen.
Und damit es nicht nur beim Diskutieren bleibt, sollen durch die Ehrung von Einzelpersonen und Gruppen auch ganz konkrete Signale gesetzt werden. Auch in Deutschland wurde bereits eine hän-Auszeichnung verliehen – an Katja Urbatsch, Gründerin und Geschäftsführerin von ArbeiterKind. Diese gemeinnützige Organisation setzt sich dafür ein, dass Kinder aus Familien ohne akademischen Background dennoch die Möglichkeit bekommen, ein Studium zu beginnen.
Ich persönlich war schon immer ein Fan von hän und ich finde, dieses unscheinbar wirkende Wörtchen vereinfacht gerade in der heutigen Zeit eine Menge. Wo in Deutschland noch gestritten wird, werden im Finnischen einfach alle Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Dadurch sieht das Sprachbild einheitlich aus und sicherlich hat das Ganze auch seinen Einfluss auf die Einstellung der Menschen. Wie sind Deine Gedanken zu diesem Thema? Verrate sie mir gerne über das Kommentarfeld weiter unten!
Hallo René,
außer, dass die finnische Sprache echt abgefahren viele Vokale hat und dadurch für Nicht-Finnen sehr kurios aussieht und unmöglich intuitiv zu verstehen ist, wusste ich bisher eigentlich gar nichts darüber. Die Sache mit dem „hän“ finde ich auch sehr charmant. Danke fürs Näherbringen. Das „hän“ ersetzt aber nur die Personalpronomen „er, sie, es“, oder?! Ist da – ganz praktisch – nicht manchmal der Bezug schwierig herzustellen? Und was machen die Finnen mit anderen Pronomen, wie den Possessivpronomen? In der englischen Sprache ist das ja auch sehr viel einfacher als in der Deutschen – allein, weil es nur den Artikel „the“ gibt. Bei den Pronomen kann man dort dann einfach das Plural „they“/“their“ verwenden, wenn man ein geschlechtsspezifischs Pronomen vermeiden möchte. Da ist es im Deutschen schon etwas komplizierter und ja durchaus kontrovers. Interessant fand ich in jedem Fall eine deiner Schlussbemerkungen: „sicherlich hat das Ganze auch seinen Einfluss auf die Einstellung der Menschen“. Das denke ich in jedem Fall auch. Sprache beeinflusst Einstellungen, Bilder und Realitäten, deswegen finde ich es wichtig, dass wir sie bewusst nutzen und ab und zu mal darüber nachdenken. Toll, dass du das hier gemacht und geteilt hast.
Viele Grüße
Claudia
Liebe Claudia,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag und sorry, dass jetzt erst eine Reaktion kommt. Irgendwie ist die Benachrichtigung in der Hektik des Alltages untergegangen. Zu Deinen Fragen soviel: Ich denke, es ist alles eine Frage der Gewöhnung. In Finnland ist man es schon immer so gewöhnt, also hinterfragt man es gar nicht. Ich bin selbst leider überhaupt kein Experte in Sachen finnischer Grammatik, da ich die Sprache von klein auf „einfach so“ gelernt habe. Ich kann Dir also sagen, was richtig ist und was falsch, aber ob da nun ein Possesivpronomen oder etwas anderes verwendet wurde, das weiß ich nicht, muss ich gestehen. 🙂
Sonnige Grüße,
René