Januar 2001: Zum ersten Mal in Finnland

Tanja zum ersten Mal in Finnland

Klar habe ich es in unseren Livesendungen immer mal zum Spaß gesagt: “Als ich vor 20 Jahren das erste Mal in Finnland war…” Es fühlte sich an wie grob überschlagen, doch nun ist es wirklich soweit. Es ist zwei Jahrzehnte her, dass ich zum ersten Mal in Finnland war. Wobei, angeblich nicht, denn meine Eltern erzählen, ich sei als Kleinkind schon einmal da gewesen. Mangels Erinnerungen fühlte es sich 2001 aber so an.

Ein HIM-Fan auf den Spuren seines Schwarms

Im Januar 2001 war ich fünfzehn und unsterblich in Ville Valo von HIM verliebt. Außerdem hatte ich bereits von den 69 Eyes gehört, den einen oder anderen Sonic Seducer Orkus gelesen und einen Plan: Ich musste unbedingt nach Finnland! Zu meinem Glück waren meine Eltern schon immer so reisefreudig wie ich, oder eigentlich ich so wie sie. Denn dadurch, dass sie Stewardess und Flugkapitän waren, wurde mir das Reisen schon in die Wiege gelegt. Jedenfalls haben sie sich damals auf einen Finnlandurlaub mit mir eingelassen.

Das Kuriose ist, dass ich seit 1998 die merkwürdige Eigenschaft habe, jeden Tag aufzuschreiben, was ich gemacht habe. Manchmal sind es keine vollständigen Sätze, aber tatsächlich kann ich Dir von jedem Tag seitdem sagen, was los war. Es handelt sich inzwischen um über 7.000 Einträge in Tischkalender. So kommt es auch, dass ich weiß, was ich gemacht habe, als ich zum ersten Mal in Finnland war. Also lass uns mal nachschauen, was ich im Januar 2001 notiert habe.

Dom von Helsinki im Jahr 2001

2001 waren vor dem Dom in Helsinki schöne bunte Würfel aufgestellt.

Mein erster Eindruck von Helsinki

Ich erinnere mich, dass ich bei der Fahrt mit dem Taxi vom Flughafen Helsinki-Vantaa in die Innenstadt etwas nervös war. Ich hatte Angst, mir würde die Stadt gar nicht gefallen. Du kennst das bestimmt, dass man etwas vorab enorm hochlobt und die Erwartungen immens werden. Es war ein grauer Wintertag, als ich zum ersten Mal in Finnland war. Ansich nichts Ungewöhnliches, aber zusätzlich stehen in der Ausfahrtsstraße namens Hämeentie nunmal nicht nur bunte Häuser. “Grau in grau”, dachte ich. Aber als wir im Zentrum angekommen waren, spürte ich die Erleichterung: Hier war es wirklich so schön wie erwartet!

Samstag 06.01.2001: Heute sind wir nach Helsinki geflogen. Waren am Dom. Haben im Cantina West zu Abend gegessen. Dann am Tavastia vorbei.

Klar, am Dom. Das ist für mich seitdem ein Ritual. Das erste und letzte, was ich in Helsinki mache, ist ein Besuch beim Dom. Er ist einfach das Wahrzeichen schlechthin, das Herz der Stadt. Und weil ich in der Bravo gelesen hatte, dass Ville Valo gerne in das mexikanische Restaurant Cantina West nahe der Esplanaden geht, mussten wir natürlich auch dort essen. Ich erinnere mich sogar noch an die Peinlichkeit, dass ich nachfragte, wann Ville Valo denn mal wieder herkommen würde. Das fällt einem auch nur mit fünfzehn ein. Und ein Besuch vor dem legendären Club und Konzerthaus Tavastia durfte natürlich auch nicht fehlen.

Cantina West Helsinki

Stolz stellte ich mich genau an die Stelle, an der HIM auf dem Foto in der Bravo auch gestanden hatten.

Zum Hafen und auf gen Norden

Sonntag, 07.01.2001: Heute sind wir nochmal kurz zum Hafen. Dann sind wir nach Punkaharju gefahren. Spaghetti gemacht, Spaziergang, Tatort.

Ein Besuch am Hafen von Helsinki darf natürlich auch nicht fehlen, wenn man zum ersten Mal in Finnland ist. Hier liegen die großen Fähren der Silja Line und Viking Line, hier ist die alte Markthalle, hier steht das Rathaus und und und. Ich erinnere mich, dass unser Mietauto Spikes hatte, die auf den Pflastersteinen unglaublich laut waren. Sowas war mir neu. Ich kannte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nur Schneeketten.

Und dann ging es auch schon raus aus der Hauptstadt. Wenn man zum ersten Mal in Finnland ist, muss man natürlich auch die ländlichen Gegenden kennenlernen. Wir machten uns auf nach Punkaharju in Savo. Diese ehemalige Gemeinde, die nun zur Stadt Savonlinna gehört, ist für ihre enge Landzunge bekannt. Von dort aus hat man einen fabelhaften Blick über die berühmte Seenplatte, und zwar nach links wie nach rechts. Wir stiegen in einer gemütlichen Feriensiedlung ab, die aus typischen Blockhütten bestand und direkt am Wasser lag. Wie eigentlich fast alles in Finnland. Und was macht man an dunklen Wintertagen in der Wildnis Anfang der 2000er? Tatort gucken.

Am Hafen von Helsinki

Mein Vater und ich mit unserem Mietauto, mit Spikes an den Reifen. Das kannte ich vorher nicht.

Langlaufski fahren gehört dazu

Montag, 08.01.2001: Heute haben wir uns nach dem Frühstück Langlaufski ausgeliehen. Dann sind wir fast zwei Stunden gefahren. Sind was einkaufen gefahren. Dann gabs Dinner bzw. Drunch. Waren beim Begrüßungscocktail, es gab dann Steak und Kartoffeln.

Ich erinnere mich daran, mit Langlaufskiern auf den Loipen unterwegs gewesen zu sein. Wenn man zum ersten Mal in Finnland ist, kommt man um diese traditionelle Sportart kaum herum. Und das völlig zurecht, denn es macht unglaublich viel Spaß, sich durch die Stille der Natur gleiten zu lassen. Und der Ausblick ist im finnischen Seengebiet jederorts grandios. “Drunch” – ich habe schon damals gerne Wortkreationen erschaffen. Hier handelte es sich vermutlich um ein spätes Lunch.

Blockhütte im winterlichen Punkaharju

Unsere gemütliche Blockhütte in Punkaharju

Ausflug nach Savonlinna

Dienstag, 09.01.2001: Heute haben wir nach dem Frühstück gelesen. Am Nachmittag sind wir nach Savonlinna gefahren. Ski-Zweiteiler gekauft. Dann essen gewesen. Bin Auto gefahren. Gelesen, Doppelter Einsatz und Biolek.

Savonlinna ist quasi die Versorgungsstadt der Gegend von Punkaharju. Und was ich bei den Recherchen zum Artikel gelernt habe: Seit 2013 gehört alles zusammen. Ich erinnere mich daran, dass es eine unaufgeregte Stadt war, die ebenfalls wunderschön am Wasser der finnischen Seenplatte liegt. Berühmt ist sie für ihre Burg Olavinlinna und die dortigen Opernfestspiele. Auch Tarja Turunen hat hier schon gesungen. Völlig vergessen hatte ich, dass ich damals auch zum ersten Mal Auto gefahren bin. (Nein, zum zweiten Mal. Das erste Mal war in der Wüste von Namibia, aber das wäre ein anderer Blogpost.) Zwar nur ein paar Meter neben unserer Blockhütte in Punkaharju, aber trotzdem. Beim Schreiben des Artikels beschließe ich gerade: Meine Kinder dürfen sowas später aber mal nicht! Und dass ich Biolek geschaut habe, irritiert mich auch ein wenig.

Als man noch ins Internetcafé ging

Mittwoch, 10.01.2001: Heute habe ich geduscht. Dann sind wir um unseren See gefahren, an der größten Holzkirche der Welt gehalten. Dann nach Savonlinna, Photos geholt, Internet. Dann eingekauft. In der Hütte gegessen und TV geguckt.

In den letzten 20 Jahren ist viel passiert. Als ich zum ersten Mal in Finnland war, gab es nämlich noch keine Smartphones und es war es mir wert, im Kalender zu notieren, dass ich in Savonlinna im Internet war. Bemerkenswert, oder? Auch, dass wir entwickelte Photos abgeholt haben verrät, dass die Notizen aus einer anderen Zeit stammen. Dass ich auch die größte Holzkirche der Welt in Kerimäki besucht habe, als ich zum ersten Mal in Finnland war, wusste ich gar nicht mehr. Sie wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut, ist 45 Meter lang und fast genauso breit. Mit einer Höhe von 27 Metern verfügt sie über 3.400 Sitzplätze. Der Finne Arto Paasilinna, “Meister des skurrilen Humors“, widmete ihr sogar ein Buch. Leider ist er vor zwei Jahren verstorben.

Ausblick vom Mökki

Von unserer Blockhütte aus hatten wir Blick auf den See.

Die Seele baumeln lassen

Donnerstag, 11.01.2001: Heute hab’ ich nach dem Frühstück gelesen. Dann hab’ ich Musik gehört. Sind nach dem Mittagessen nach Savonlinna gefahren. Haben eingekauft und in dem Pub gegessen (HIM gehört). Dann nach Punkaharju, TV geguckt.

Auf den ersten Blick wirkt es so, als sei an diesem Tag nichts Spannendes passiert. Aber es gehört auch dazu, einfach mal die Seele baumeln zu lassen und zu entspannen, wenn man zum ersten Mal in Finnland ist. Denn Entschleunigung und Urlaub für den Kopf ist ein großes Merkmal in der finnischen Natur. Es muss nicht immer viel los sein, damit man einen schönen Tag hat. Erholung und Entspannung kommen dort automatisch.

Freitag, 12.01.2001: Heute nach dem Frühstück habe ich gelesen. Dann haben wir eine Langlauftour gemacht. Die Eltern waren in der Sauna. Tee getrunken. Dann haben wir bezahlt, bin Auto gefahren. Nach dem Essen TV geguckt.

Apropos Sauna, die finnische Sauna gehört seit Neuestem sogar zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe. Und wie, ich bin schon wieder Auto gefahren? Zwar wieder nur auf dem Gelände dort, aber meine Eltern hatten Nerven. Ansonsten war auch dies ein wunderbar typischer Tag in der finnischen Natur, ohne große Aufregung, einfach gut für die Seele.

Zurück nach Helsinki

Samstag, 13.01.2001: Heute sind wir nach Helsinki zurückgefahren. Waren in Savonlinna im Internet. Am Abend waren wir im Zetor und in der Cantina West, im SAS übernachtet.

Schnell nochmal ins Internet, bevor es zurück nach Helsinki geht. Inzwischen wirklich unvorstellbar, aber Du erinnerst Dich sicher auch noch daran, wie es damals einfach normal war. Unser Trip in die finnische Natur war vorbei und wir haben uns meine Lieblingsstadt nochmal genauer angesehen. Das Zetor ist ein uriges Kultrestaurant, wenn auch sehr touristisch. Überall stehen Traktoren rum. Bei den Recherchen zum Artikel lerne ich, dass der Name auf einen tschechischen Traktorenhersteller zurückgeht. Das Restaurant wurde übrigens von der finnischen Kultband Leningrad Cowboys gegründet. Und natürlich musste ich nochmal im Mexikaner Cantina West vorbeischauen, ob Ville Valo vielleicht heute da war. Leider war das nicht der Fall.

Tanja vor dem Tavastia Club in Helsinki

Eine Zeit lang habe ich bei jedem Helsinki Besuch ein Foto vor dem Tavastia gemacht.

Posieren am Sibelius-Denkmal

Sonntag, 14.01.2001: Heute waren wir kurz shoppen. Dann waren wir in einem Café. Haben eine Helsinki Rundfahrt gemacht. Zurück nach FRA. War im Internet.

Ein bisschen Tourist gespielt habe ich auch, als ich zum ersten Mal in Finnland war. Wenn auch meine Erinnerungen an diese Stadtrundfahrt nicht mehr sehr präsent sind. Am berühmten Sibelius-Monument waren wir, im gleichnamigen Park im Stadtteil Töölö. Zu Ehren des bekanntesten finnischen Komponisten Jean Sibelius (gestorben 1957) wurde 1967 diese wunderschöne Skulptur enthüllt. Sie sieht aus wie eine Welle von Orgelpfeifen und ist bekannt für Fotos aus vielseitigen Perspektiven. Sie wiegt übrigens 24 Tonnen.

Sibelius-Monument in Helsinki

Wie eine Welle aus Orgelpfeifen steht das Sibelius-Monument im gleichnamigen Park.

Tanja am Sibelius-Monument in Helsinki

Neben dem Monument wurde auch Sibelius selbst verewigt.

Und damit war im Januar 2001 die Woche auch schon vorbei, in der ich zum ersten Mal in Finnland war. Es waren wohl wirklich prägende Erlebnisse, denn seitdem ist kein Jahr vergangen, in dem ich Suomi keinen Besuch abgestattet habe. Wenn Du einmal Dein Herz an das Land im hohen Norden verloren hast, bleibt es auch dort. Denn es gehört dorthin, so einfach ist das.

Wann warst Du zum ersten Mal in Finnland? Was hast Du erlebt? Erzähl es uns im Kommentarfeld weiter unten.

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4 Comments

  1. 1

    Hallo auch wir waren 2001 zum 1.Mal in Finnland, im April in Muonio. Es war auch für uns ein prägendes und unvergessliches Erlebnis. Wir haben dort unseren ersten Motorschlitten- und Hundeschlittentouren gemacht. Aber auch unsere Spaziergänge durch die Natur, waren sehr eindrucksvoll, das Finnlandfieber hat uns seither nicht mehr losgelassen. Liebe Grüße Katrin und René Gerloff

  2. 2

    Hallo! Ich war das erste Mal 1995 in Finnland in Joensuu. An meinem Gymnasium wurde ein Schüleraustausch nach Finnland angeboten und da ich nicht mit nach Frankreich wollte, habe ich mich für den Hohen Norden entschieden. Ich war überwältigt von der Gastfreundschaft meiner finnischen Familie, auch die Natur Finnlands und die Saunakultur haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
    Seitdem wollte ich immer wie zurück. Während meines Studiums hat es dann endlich geklappt und aus einem halben Jahr Erasmus, sind dann 13 Jahre geworden.

  3. 3

    Joulutervehdys sinulle ja kiitos kaikesta, aktiivisuudesasi ja mielenkiintoisista artikkeleista! Keine Ahnung, ob ich mich schon so gemeldet habe, mit E-mail-Adresse und so… Würde gern das kleine Paket bestellen! Ach ja, muss es irgendwie woanders machen, dachte bei dir direkt – klärt sich, kann auch „im nächsten Jahr“ sein, hihi! Terveisiä Berliinista, hyvää joulua! Herzlich Ilse

  4. 4

    Hallo liebe Tanja, es ist bewundernswert, dass du es über so viele Jahre durchgehalten hast, dir täglich Notizen zu machen. Ich habe früher Urlaubs- und Weihnachtstagebuch geschrieben, aber leider nicht durchgehalten. Respekt! So konntest du nun diesen schönen Artikel schreiben. Mielenkiintoinen (wie Ilse schrieb)! Liebeserklärung an Finnland und Zeitzeugnis zugleich. Ich war 2008 das erste Mal in Finnland bzw. in Helsinki und fühlte mich – wahrscheinlich durch das Lesen der Bücher von Paasilinna und Soininvaara – sofort wie zu Hause. Durch deinen Artikel sind meine Erinnerungen auch wieder präsent. Dom, Zetor, Sibelius, Hafen, Punkaharju, Mökki am See… Mit Finnland ist es so wie mit der großen Liebe: Gesehen, Herz verloren, für immer, bedingungslos! Hyvää joulua! Alex

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